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Über die jungen Depeche Mode, die neue DAF-Box - und den Molch

DAF im Interview: „Zuerst ist immer der Klang“

Die wunderbare DAF-Werkschau „Das ist DAF“ ist da. Doch das ist längst nicht alles, was von der Deutsch Amerikanischen Freundschaft auf uns zukommt. Robert Görl und Gabi Delgado haben da Einiges zu erzählen. Und das brandneue Video zur brandneuen Single „Die Sprache der Liebe“ haben wir auch noch für euch.

depechemode.de: Ihr habt ja durchaus auch eine Berührungsmenge mit Depeche Mode. Aus ganz frühen Zeiten.

Robert Görl: Aus Mute-Zeiten, ja. Als sie noch eine ganz junge Band waren, als sie noch nicht mal eine richtige Band waren. Die standen da bei Daniel Miller im Mute-Office herum und haben sich gerade als Depeche Mode geformt. Die kannten aber DAF. DAF gefällt denen schon immer ziemlich gut.

Das ist bekannt. Martin Gore hat das immer mal wieder erwähnt.

Gabi Delgado: Daniel Miller hat ihnen auch erzählt, wie toll wir waren [lacht]. Es gab ja auch diese legendären fünf Konzerte, glaube ich. In London, da hat Daniel uns auch eingeladen. Das war dann so ein bisschen der Durchbruch für Depeche Mode. Da haben die Engländer irgendwann gesagt, das ist so gut, so englisch, das ist unser Ding!

Und irgendwann ist das gekippt. Jetzt sind sie hier groß und dort nicht ganz so riesig… Einer von euch lebt noch hier in Berlin?

Robert: Ja, ich. Gabi ist wieder nach Spanien gezogen.

Hast du da noch Kontakt mit Daniel Miller (gehabt), der lebt ja auch hier?

Robert: Wir wohnen gar nicht so weit auseinander, er wohnt eigentlich um die Ecke von mir. Ich habe ihn auch mal besucht, das ist aber auch schon wieder eine Weile her.

Gabi: Bei unserem letzten Konzert war er auch da.

Ich habe gesehen, ihr spielt auch im Herbst wieder einige Konzerte, auch in Berlin.

Robert: Ja, im Astra wieder.

Wer hatte von euch die Idee zu der Box?

Gabi: Man muss sagen, die Rechte waren ausgelaufen. Und wir spielen seit ungefähr fünf Jahren wieder zusammen live. Da haben wir auch gesehen, wie sich das Publikum wandelt. Während das früher überwiegend Leute waren, die damals schon dabei waren, sind das jetzt mehr und mehr Kids, die damals noch gar nicht geboren waren. Also muss das im richtig großen Stil nochmal aufgelegt werden, weil auch das Interesse riesengroß ist. Das soll nicht nur Bestandteil vom Backkatalog von irgendjemandem sein, sondern richtig mit Remixen und Medienpräsenz präsentiert werden. Die Deutsch Amerikanische Freundschaft, auch politisch, ist ja so aktuell wie selten [lacht]. Gestern musste ich lachen, da war ich mit einer Tasche, einem Merchandisingprodukt der Deutsch Amerikanischen Freundschaft, unterwegs. Und da waren da echt so ein paar Kids, die riefen: „Scheiß Amis!“ [lacht] Die wussten nicht, dass das eine Band ist.

Da kann man schnell in den falschen Topf geworfen werden.

Gabi: Ja, der Name ist jetzt wieder total provokant. Aber wir haben eben gemerkt, die Leute wollen das, also muss man ihnen das auch geben. Wir haben immer so gearbeitet, dass wir nur Bandübernahmeverträge gemacht haben und die Rechte immer wieder an uns zurück fließen. So haben wir mehr Möglichkeiten, an Verwertungszyklen teilzunehmen.

Robert: Was der Gabi vorhin schon so gestreift hat: Das ist eben nicht nur so ein Backkatalog, sondern unsere Sachen brennen auch ewig, sind Dauerbrenner. Wenn ein DJ heute „Verschwende deine Jugend“ oder „Der Räuber und der Prinz“ auflegt, gibt es immer ein oder zwei Kids, die da hingehen und fragen, was das denn Neues ist. Und dann erfahren die, dass das mehrere Jahrzehnte alt ist.

Was mich ja bei euch immer fasziniert hat: Ihr hattet von Anfang an die Idee, eine komplett neue Art von Musik zu machen.

Robert: Ja, Originalzeug. Das brennt länger.

Gabi: Wir wollten in keiner Tradition stehen. Neu starten.

Robert: Nichts nachmachen.

Gabi: Wir haben damals gesagt, Stücke, die an irgendwas erinnern, das es schon gibt, kommen in den Papierkorb. Erstmal diese ganzen klassischen Songstrukturen, die wollten wir nicht. Wir wollten auch keine englischen Texte machen, so Sachen wie „I love you, baby“. Es sollte wirklich ein Neustart für die Musik an sich werden.

Es ist ja auch erstaunlich, dass manches davon 35 Jahre später immer noch so provokant rüberkommt.

Robert: Das haben uns damals schon einige Leute so gesagt. Journalisten, die meinten: „Jungs, was ihr da macht, das brennt in ein paar Jahrzehnten noch.“ Das war wie eine Revolution, die Eighties waren ja sowieso eine Art Revolution.

Gabi: Bei Musik gibt es ja diesen schönen Begriff der „Silent Hits“. Es gibt Sachen, die brennen sehr, sehr lange. Teilweise ist Musik Tagespolitik oder aktuelle Mode, dann ist es für einen schönen Sommer lang das Sommerlied. Und dann gibt es Sachen, die quasi für immer bestehen bleiben. „Sex Machine“ von James Brown kannst du immer auflegen. Es gibt eben auch diese „Silent Hits“ von, was weiß ich, Gregory Isaacs im Reggaebereich – der war nie in den Charts, hat aber trotzdem Millionen verkauft. Nicht in einer Woche, sondern in fünf Jahren.

Robert: Und bei DAF geht das auch so über die Zeit. Deshalb waren wir auch nie wirklich eine Top-10-Band. Aber über die Jahre haben wir auch massiv verkauft.

Zum Thema Zusammenstellung der Box: Robert, habt ihr da auch überlegt, wo man anfängt und wo man aufhört? Es gab ja auch noch ein Album vorher und auch Alben danach.

Robert: Die Idee war natürlich schon, dass eventuell alles reinkommen soll. Aber im Endeffekt war das auch technisch etwas schwierig umzusetzen. Darum werden es jetzt zwei Boxen. In die zweite Box kommen dann auch die anderen Alben – und da soll dann auch ein ganz neues DAF-Album mit rein. In dieser ersten Box gibt es ja erstmal nur eine neue Single.

Gabi: Zwei brandneue Tracks in bester DAF-Tradition, die haben wir erst vor kurzem hier in Berlin aufgenommen. Das Ganze kommt jetzt also in zwei Teilen, weil es eben zu umfangreich war und auch bestimmte Rechte noch nicht ausgelaufen waren. In diesem Teil sind nun „Die Kleinen und die Bösen, „Alles ist gut“, „Gold und Liebe“, „Für immer“, ein Remixalbum…

Robert: Eigentlich die großen Klassiker.

Gabi: …und die neue Single. Im nächsten Teil kommen dann „15 neue DAF-Lieder“, „1st Step To Heaven“, ein ganz neues Album und wahrscheinlich noch ein Live-Album, was es von DAF auch noch nie gab. Die „Gelbe“, das „Produkt der Deutsch Amerikanischen Freundschaft“, ist nicht dabei, denn da steht zwar „Deutsch Amerikanische Freundschaft“ drauf, es ist aber nicht wirklich Deutsch Amerikanische Freundschaft.

Robert: Die Nullplatte. Das war die Zeit, wo alle so herumprobiert haben. Das hat man damals mitunter in der Mittagspause aufgenommen. In dieser Kommune bei Düsseldorf. Ich kann mich erinnern, dass das Gabi damals auch teilweise überhaupt nicht gefallen hat [Gabi nickt]. Das war es halt noch nicht.

Da hat man sich noch gesucht.

Robert: Genau. Zur selben Zeit habe ich ja auch die Band Der Plan mit gegründet. Da gab es die erste Plan-Single, die hieß „Das Fleisch“.

Gabi: Im Ratinger Hof gab es damals jeden Tag zwei neue Bands. Immer die gleichen Leute, aber immer andere Konstellationen. Dieses Album von damals ist ein interessantes zeithistorisches Dokument, hat aber in der DAF-Box nichts zu suchen.

Selbst „Die Kleinen und die Bösen“ ist ja im Vergleich zu den folgenden Alben noch sehr anders.

Robert: Ja, aber das war schon ein astreines DAF-Ding.

Ich muss ja zugeben, dass „Die Kleinen und die Bösen“ auch neu für mich war. Als in der DDR Aufgewachsener hat man sich die Sachen ja immer erst später besorgen können – und ich habe da wie viele mit „Alles ist gut“ angefangen. Und das war natürlich eine Riesenscheibe.

Robert: Da war DAF dann schon mehr durchgesickert, die Formation war ein bisschen anders.

Wie kommst du, Gabi, denn auf deine sehr spezielle Art zu texten?

Gabi: Ich bin ja Spanier, dadurch habe ich einen anderen Zugang zur deutschen Sprache. Ich mag die deutsche Sprache, mir gefällt, dass sie so viele Silben hat. Ich bin auch eher wie ein Standup-Poet. Ich habe im Kopf eine Art Wortkatalog. Die Hip-Hopper sagen, ein rhyme book. Bei mir besteht das aber nur aus Worten. Beim „Mussolini“ hatte ich zum Beispiel nur dieses Wort, Mussolini. Das hat mir einfach vom Klang her gefallen, Mussolini… Mousse au Chocolat… Mussolini… klingt so schön nach Campari… [lacht] Ich bin dann in die Gesangskabine und dachte, was sage ich jetzt dazu? Ach, „Tanz den Mussolini“! Dann natürlich auch „Tanz den Adolf Hitler“, „Tanz den Jesus Christus“, nach links, nach rechts…

So kam dann Eines zum Anderen.

Gabi: Ja. Was ich auch sehr mag am Deutschen, ist die Semantik, die sich manchmal so lautmalerisch ausdrückt. Es gibt Worte im Deutschen, die drücken schon im Klang aus, was sie sind. Molch. Der Molch [Robert lacht]. Das ist in dem Wort Molch schon drin. Wie er da in seiner dunklen Höhle wohnt.

So molchig.

Gabi: Und dann eben die vielen Silben. „Ich hätte gern ein kohlensäurehaltiges Mineralwasser“ [lacht]. Im Gegensatz zu „Un agua con gas“.

Du gehst die Texte also vom Klang aus an.

Gabi: Ja, zuerst ist immer der Klang. So ganz dadaistisch, lautmalerisch. Und wenn ich dann sehe, dass das Lautmalerische eine bestimmte Bedeutung des Begriffes impliziert…

Robert, wie hast du denn dann auf Gabis Texte reagiert? Gab es Diskussionen?

Robert: Nee.

Und war die Musik immer schon vorher da?

Robert: Das kam zusammen, das war wie eine Automatik. Als wir dann unsere kommerzielleren Scheiben aufgenommen haben, bekamen wir sehr viel Zeit zur Verfügung vom Conny [Plank, Anm. d. Red.], sechs Wochen für ein Album. Da waren wir jeden Tag den halben Tag im Studio und haben zusammen einen Song kreiert. Also ich habe an den Synthies herumgeschraubt, so ging es meistens los, Gabi kam mit seinen Texten, dann hat er getanzt, er tanzt ja sehr gerne. Das war auch gut, so konnte er mir ein Zeichen geben, wenn ich eine richtig geile Sequenz auf dem Synthie hatte. Das war wie eine Symbiose.

Gabi: Ich mache ja auch mit anderen Leuten Musik, aber mit keinem Menschen ist das wie mit Robert. Robert ist für die Musik zuständig, ich bin für die Texte zuständig, man könnte denken, das wäre eine klare Arbeitsteilung. Aber nein, das greift ineinander. Wir sind so unterschiedliche Persönlichkeiten, aber wenn wir da zusammenkommen und diese DAF-Energie entsteht, inspirieren wir uns gegenseitig. Der Ton löst das Wort aus, das Wort löst den Ton aus.

Robert: Das ging wie so ein Ping-Pong-Spiel.

Gabi: Man muss auch wirklich sagen: Wort und Musik sind so unterschiedliche Sachen, aber Musik ist wie kein anderes Medium geeignet, Gefühle auszulösen. Das kann längst vergessene Erinnerungen erwecken, Gerüche sogar. Das Wort wiederum ist wie kein anderes Medium in der Lage, Gedanken auszulösen. Die Welt wird durch Bücher verändert. Die Bibel. Das Kapital. Wenn jetzt Gefühl und Inhalt zusammenkommen, und das tun sie bei DAF, dann appellierst du auf der einen Seite an die Gefühle und gibst dazu eine Info. Das wird in einer ganz anderen Art und Weise verarbeitet. Ohne dass du es merkst, geht die Message in deinen Kopf. „Verschwende deine Jugend“, zack!

Robert: Und unser Produzent hatte die Fähigkeit, der kam fast immer genau im richtigen Augenblick. Der hat immer so vorbeigeguckt und gespürt, wann wir soweit waren. Dann hat er gesagt: „Freeze it!“ Von der Aufnahmereihenfolge hat der Conny das dann immer so gemacht, dass erst die Elektronik kam, dann die Drums und am Schluss der Gabi obendrauf.

Habt ihr das bei den neuen Sachen genau so aufgenommen?

Gabi: Ja, schon so ähnlich.

Auch vom Tempo der Aufnahmen?

Robert: Ja, doch.

Gabi: Ich mag das ja immer, wenn ich das vorher gar nicht so genau kenne. Ich sage bei den Konzerten immer zu Robert, bau doch ein Stück beim Backing ein, was ich nicht kenne! Damit das keine Routine wird, damit ich live überlegen muss, was mache ich jetzt überhaupt? Wir haben im Hansa- und Tritonus-Studio aufgenommen, und der einzige Unterschied war dieses Mal, dass ich den Text vor den Drums aufgenommen habe.

Robert: Stimmt.

Gabi: Manchmal glaube ich das auch kaum. Da singe ich ein Wort und rufe dann so „Aaah!“ – und unabhängig davon schlägt der Robert das Becken genau an der Stelle, das sind so geniale Zufälle.

Robert: Diese Vereinigung ist uns selten so gut gelungen wie auf der neuen Single. Die A-Seite ist eine wahnsinnige Powernummer. Das ist wie so ein perfekter Fight, wo alles ineinander geht.

Gabi: Wie ein Kung-Fu-Film [beide lachen].

Zum Schluss noch zu den Remixen. Die sind ja schön knackig geworden. Wie seid ihr auf Leute wie Boys Noize gekommen?

Robert: Das hat Grönland [das Label] organisiert.

Gabi: Wir haben eine Liste geschickt, mit Wünschen. Dann haben die geguckt, was so geht. Und auch die Remixer waren beteiligt. Westbam hat zum Beispiel gesagt, er kennt Boys Noize.

Und ihr habt ja bei zwei Mixen auch mitgewirkt.

Gabi: Ja. Beim Remix bleibt für mich als Künstler das Wichtigste, dass man sich überhaupt nicht einmischt und die Remixer machen lässt.

Robert: Der Moroder hat zum Beispiel ja ganz viel Text weggelassen [beim Mussolini].

Ja, ich habe schon Internetkommentare gelesen, wo man sich fragte, ob ihr euch jetzt hättet zensieren lassen.

[beide lachen]

Gabi: Nein, das ist die Freiheit des Remixers. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, noch abgehobenere Remixe vorstellen können. Von einer Jazzband oder einem Liedermacher mit Akustikgitarre. Aber ich bin zufrieden damit.

Vielen Dank für das Gespräch!

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P.P.S. DAF live:
22.10. Freiburg, Café Atlantik
11.11. Hamburg, Markthalle
25.11. S – Malmö, Inkonst
02.12. A – Wien, Grelle Forelle

www.facebook.com/DASISTDAF

Fotocredit: Sabine Raef

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

10 Kommentare

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  1. Agua

    Im spanischen heißt Wasser agua nicht aqua *sic*

  2. DAF wie immer “ Laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig“.

  3. BN rmx ist der burner!!!

    einfach und frisch, sehr nahr am original , so muss das sein, genau das gegenteil zu DM. ich hoffe nur die 4 single wird Scum…. mit Cover Me remixen komme ich überhaupt nicht klar, alle 3 singels sind zum abgewöhnen, aber egal es gibt wichtigeres im leben als sich um solche kleinigkeioten zu kümmern….

  4. Die Sprache Der Liebe

    Gefällt mir, DAF haben wenigstens im Ggs. zu DM scheinbar nichts eingebüßt von ihrem Ursprungssound!

    • Ich bin ehrlich gesagt froh, dass Depeche Mode nicht mehr klingen wie auf „Some Great Reward“ oder „Construction Time Again“. Alle Alben hatten ihre Zeit, waren toll, aber es darf sich gut und gerne weiter entwickeln. Ich finde „Die Sprache der Liebe“ zwar nett, aber irgendwie hab ich das Gefühl, das schon tausend mal gehört zu haben. Das ist wie mit dem „Old School EBM“-Zeugs.

    • Monoton

      Monotonie pur! Recht hast‘! Die EBM-Modern Talking! ?

  5. daf

    ein neues album? eine live-platte? wahnsinn! hoffentlich gibt es die dann auch einzeln und nicht nur in der zweiten box die erscheinen soll…

Kommentare sind geschlossen.

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