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Im Tourbus der Chvrches – ein Interview

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Sie wurden von euch bei unseren depechemode.de Awards mit groรŸem Abstand zu den Newcomern des letzten Jahres gewรคhlt. Ab heute Abend sind die Chvrches wieder im Lande! Eine gute Gelegenheit fรผr ein ausfรผhrliches Interview. Wir saรŸen mit Keyboarder Martin Doherty im Tourbus. Ein Gesprรคch รผber Sounds und musikalische Inspirationen. Wie es ist, mit Depeche Mode die Bรผhne zu teilen. Und Geheimtipps fรผr Glasgow-Reisende gibtโ€™s auch!

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit fรผr uns nehmt! Zuerst einmal Glรผckwunsch zu eurem Album, das bei uns auch Album des Monats wurde! Die erste Frage: Wie lange habt ihr fรผr die Aufnahmen gebraucht, und wรผrdet ihr rรผckblickend irgend etwas anders machen?

Insgesamt hat es etwa elf Monate gedauert, wobei wir es anfangs โ€“ damals noch als Band ohne Plattenvertrag โ€“ nur in Teilzeit gemacht haben. Wir haben immer daran gearbeitet, wenn wir Zeit hatten, neben dem normalen Job. Ansonsten waren die Aufnahmen aber ein sehr entspannter Prozess, wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis, und ich wรผrde es nicht anders machen wollen (auรŸer, was den Zeitfaktor angeht). Wir haben alles allein gemacht, ohne externe Produzenten und so. Dadurch konnten wir allein bestimmen, wie alles klingen soll.

Iain und du, ihr habt ja eine musikalische Vergangenheit, die nicht so viel mit Electro-Pop zu tun hat (mit Arbeit in Bands wie Aereogramme, The Twilight Sad, Unwinding Hours)…

Na ja, ich hatte in diesen Bands keinen Anteil am kreativen Prozess, ich war mehr so ein Sessionmusiker. Und da habe ich auch bereits hauptsรคchlich Keyboards gespielt. Als es also dazu kam, Musik zu schreiben, war das kein groรŸer Sprung fรผr mich.

Also war die Richtung fรผr Chvrches von Anfang an klar?

Was die Instrumentierung angeht, auf jeden Fall. Auch hinsichtlich des sehr begrenzten Platzes, den wir zum Arbeiten hatten. Es war jetzt zwar keine Schlafzimmer-Produktion, aber der Raum, der zur Verfรผgung stand, war รคhnlich groรŸ. Nicht viel Platz fรผr Gitarren.

Wird es noch weitere Verรถffentlichungen von โ€žThe Bones Of What You Believeโ€œ geben? EPs? Remixe? Neues Material?

Bestimmt. Genaues zu Singles kann ich im Moment nicht sagen, wir verรถffentlichen ja auch bei verschiedenen Plattenfirmen. Jedenfalls planen wir noch eine neue EP fรผr ungefรคhr Mitte 2014, bevor wir uns ans zweite Album machen.

Ihr investiert ja offensichtlich viel Zeit in die Sounds eurer Songs. Aber wie wichtig sind die Texte (Lauren schreibt die meisten davon, richtig?)?

Ja, Lauren schreibt die Texte. Aber es gibt durchaus Mitsprache, wir diskutieren Dinge aus. Ein Schlรผsselelement fรผr uns ist: Wenn die Sounds leicht klingen, mรผssen die Texte einen Gegensatz dazu bilden. Fรผr uns ist es sehr wichtig, nicht zu stark in eine der beiden Richtungen zu tendieren.

So dass es weder zu cheesy noch zu dรผster wird?

Exakt. Wir versuchen da immer die Balance zu halten.

Die nรคchste Frage wurde ja vorhin fast schon beantwortet: Habt ihr Plรคne, bei den nรคchsten Aufnahmen etwas am Sound oder Equipment zu รคndern?

Mit dem Sound sind wir schon sehr zufrieden. Aber man entwickelt sich ja stรคndig weiter. Wir schreiben unsere Songs nicht auf der Gitarre oder dem Klavier, sondern entwickeln die Ideen anhand von Sounds im Studio. Und es ist natรผrlich immer eine schรถne Sache, neues Equipment zu kaufen. Das kann natรผrlich recht teuer werden (lacht), aber es ist schon schรถn, den Sound erweitern zu kรถnnen. Wir haben bereits ein paar neue Keyboards und ein Prophet 12, das wir stark fรผrs zweite Album nutzen wollen.

Kannst du etwas รผber deine musikalischen Einflรผsse erzรคhlen? Vielleicht sowohl damals als Kind als auch heute in einer Band?

Gern. Die erste Musik, die man hรถrt, ist die der Eltern. Darauf oder dagegen reagiert man. Als ich sehr jung war, so ungefรคhr Zwรถlf, habe ich viel aggressive Dance Music gehรถrt. Hardcore, Happy Hardcore. Manchmal war es einfach nur wichtig, die Eltern nerven zu kรถnnen. Dann lernte ich Gitarre zu spielen und es kamen viele Gitarrenbands dazu. Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, gab mir mein Cousin zwei Alben โ€“ โ€žOK Computerโ€œ von Radiohead und โ€žThe Holy Bibleโ€œ von den Manic Street Preachers โ€“ und ich war wie weggeblasen. Das รถffnete eine Tรผr fรผr mich, und ich begann, nach deren Einflรผssen zu suchen, zu entdecken, wo diese Musik herkam. So ging es weiter zu Can und Television und dem Versuch diese Bands zu verstehen. Das brachte mich wieder zurรผck zur elektronischen Musik und ich entdeckte โ€žDisintegrationโ€œ und โ€žViolatorโ€œ, und das รคnderte alles. โ€žDisintegrationโ€œ und The Cure werden immer bedeutend fรผr mich sein, durch die Art, wie sie es schafften, รผber die Lรคnge eines ganzen Albums dringliche Songs und radiofreundliche Songs zu verbinden und sich gleichzeitig kรผnstlerisch noch weiterzuentwickeln. Bei Depeche Mode ist es genauso. Wichtig war auch, zu begreifen, wie songbasierte elektronische Musik funktioniert, die nicht nur auf Sequencern oder Rhythmus basiert.

Und welche aktuelle Musik hรถrt ihr so, vielleicht auf Tour oder hier im Bus?

Hm, die Sachen, die ich im Bus auflege, werden fรผr gewรถhnlich gleich wieder ausgeschaltet (lacht). Es gab eine Zeit, wo ich viele Kรผnstler des Warp-Labels gehรถrt habe. Wenn es um neue Musik geht: Da gibt es in Glasgow ein tolles Label namens Lucky Me, die sind weit vorn dabei mit ihrer Mischung aus Hip Hop und Dance Music. Diese Sachen sind aber nur die eine Seite. Du kannst auch einfach im Radio einen Popsong hรถren und darin etwas Bestimmtes finden. Fรผr mich โ€“ und fรผr uns als Band steht fรผr gewรถhnlich die Melodie im Vordergrund. Zu oft haben elektronische Bands Angst vor Melodien, sie vergraben ihre Vocals im Hintergrund oder bearbeiten sie bis zur Unkenntlichkeit. Das kann auch SpaรŸ machen, aber wir fรผr unseren Teil haben keine Angst zu unserem Song zu stehen.

Ja, es ist gut, eine Balance zwischen Sound und Song zu haben. Ein guter Popsong ist ja keine schlechte Sache. Wenn er nicht zu dรคmlich ist.

Genau.

Da wir ja eine Depeche-Mode-Fanseite sind, muss diese Frage natรผrlich sein: Wie war es im Sommer mit DM zu touren?

Es war in jeder Hinsicht unglaublich. Daraus, was ich vorhin รผber meine musikalische Vergangenheit sagte, lรคsst sich erahnen, was das fรผr mich bedeutet hat.

Wie kam der Kontakt zustande? รœber das Management?

Ja, ich glaube, unser Agent hat uns vorgestellt. Neben vermutlich jeder anderen verdammten Band der Welt (lacht). Dann kam eine E-Mail, sie haben uns ein paar Shows angeboten. Wir waren mitten in einem sehr beschรคftigungsreichen Sommer und haben Berge versetzen mรผssen, damit das klappt. Aber wenn so eine Chance kommt, darf man nicht nein sagen. Auch wenn das ein stรคndiges Hin- und Hergefliege wรคhrend der Festivalsaison bedeutet hat. Aber das war es absolut wert. Die Bรผhne mit dieser Band teilen zu dรผrfen!

Waren die DM-Fans nett zu euch? Sie haben ja einen gewissen Ruf bezรผglich der Vorbands.

Das waren sie. Jeder hatte uns gewarnt. Es gingen diverse Geschichten um und ich kannte einige selbst.

Ich denke, das ist mit den Jahren besser geworden. Die 90er waren mitunter hart fรผr die Vorbands.

Eier?

Eier. Obst. Andere Dinge.

(lacht) Nein, fรผr uns war es toll. Selbst, wenn es eine schwierige Erfahrung geworden wรคre, hรคtten wir es getan. All die Orte, an denen wir spielen durften! San Siro in Mailand โ€“ was fรผr ein Stadion! Ich dachte, diesen Ort sehe ich hรถchstens mal als FuรŸballfan. Und DM waren jeden Abend fantastisch. Mindblowing! Eine groรŸartige Erfahrung.

Das glaube ich… Als Kรผnstler reist ihr ja viel umher. Wann und wo fรผhlt ihr euch zu Hause? Im schรถnen Schottland vemutlich? Und habt ihr manchmal Heimweh?

Es war ein langes Jahr. Man muss รผberall versuchen, seinen Komfort zu finden. Auch wenn es nur hier drin ist (klopft auf das Holzmobiliar des Tourbusses). Wir versuchen hart zu arbeiten um voranzukommen. Aber das ist schon nicht schlecht hier. Ich habe hรคrtere Touren erlebt. Ich wรผrde zwar lรผgen, wenn ich behaupten wรผrde, dass wir nicht ab und zu mal Heimweh haben, aber es ist okay so.

Wo wir gerade von Glasgow sprechen: Ich war auch schon einige Male dort, wir haben Freunde da. Gibt es Insidertipps, was man sehen sollte? Geheimtipps fรผr Pubs?

Eine Menge. Kommt drauf an, was man sehen will. Ich wรผrde unbedingte The Squid And Whale empfehlen, das ist neu und wird von einem guten Freund von mir betrieben. Sehr gute Bierauswahl und gutes, von mexikanischer Kรผche inspiriertes Essen. Dann wรคre da der Hillhead Bookclub, das einzige Pub in der Stadt mit Tischtennisplatte. Es gibt natรผrlich auch tolle Kunstgalerien und Museen in Glasgow, wie z.B. das Kelvingrove. Und ein klassischer Ort, wo auch hรคufig Bands abhรคngen, ist das Nice’n’Sleazy.

(Fast) Letzte Frage: Ihr tourt ja unaufhรถrlich. Im Mรคrz kommt ihr nochmal nach Deutschland. Ist das Berlin-Konzert der Abschluss der Tour?

Nein. Nach den Clubtouren geht es weiter, dann stehen schon wieder die Festivals an. Wir werden wohl noch bis Ende des Sommers auf Tour sein. Bis dahin wollen wir auch das zweite Album halbwegs im Kasten haben, ansonsten bekommen wir ร„rger (lacht).

Das wollte ich gerade noch fragen: Wie sehen die Plรคne fรผrs zweite Album aus?

Der Plan ist, immer wenn wir zu Hause sind, aufzunehmen, niemals den Ideenfluss versiegen zu lassen. Es ist manchmal schwierig, immer wenn wir heimkommen, ist da ein Berg Ideen, der eingehรคmmert werden will. Aber wir wollen auch nichts รผberstรผrzen. Wenn an einem Tag im Studio mal nichts lรคuft, dann ist das eben so. Ungefรคhr Anfang 2015 wollen wir das zweite Album verรถffentlichen.

Viel Erfolg dabei und vielen Dank fรผr das Gesprรคch!

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P.S. Und hier die Tourdaten der nรคchsten Tage: 21.03. Frankfurt, 22.03. Zรผrich, 24.03. Mรผnchen, 25.03. Berlin.

www.chvrch.es
www.facebook.com/CHVRCHES

Thomas Bรคstlein

Thomas Bรคstlein schreibt (frรผher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 fรผr depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im รถffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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