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Interview der Woche

Chris Liebing im Interview: „Eine Menge alter, schöner, analoger Kollegen“

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Ein Interview pro Woche. Gute Vorsätze und so. Bitte erinnert uns nicht schon Anfang Februar dran … Auf unserem Lieblingslabel Mute erschien vor kurzem das neue Album von Chris Liebing. Das war für uns natürlich Anlass genug, Chris ein paar Fragen durch den Äther zu senden.

„Another Day“ kann man durchaus als konsequente Fortführung des Vorgängers „Burn Slow“ von 2018 betrachten (wer mehr dazu lesen will – und wie es dazu kam, dass Chris „Going Backwards“ von Depeche Mode remixte, der lese hier weiter). Wie damals schon ist das keineswegs reiner Techno für die Tanzfläche. Stattdessen ist Atmosphäre Trumpf, alles ordnet sich der Stimmung unter, auch die Gäste am Mikrofon (Polly Scattergood, Maria Uzor, Ladan, Tom Adams und der leider inzwischen verstorbene Miles Cooper Seaton) gliedern sich mannschaftsdienlich ein. Filmsoundtracks sollten kein fernes Ziel sein. Oder, Chris?

depechemode.de: Hallo Chris! Glückwunsch zu diesem sehr atmosphärischen Album! Mit welcher Idee bist du in die Aufnahmen gegangen? Sollte es sich deutlich von „Burn Slow“ unterscheiden oder dieses fortführen?

Chris Liebing: Das neue Album sollte definitiv die Idee von „Burn Slow“ fortführen und der nächste Schritt sein. Quasi ein Teil 2 mit der Erfahrung des ersten Albums, inklusive seiner kompletten Produktion. Ralf Hildenbeutel und ich hatten im Studio eine unglaublich gute Zeit, und haben meiner Ansicht nach mit noch mehr Flow und noch organischer zusammen gearbeitet als das bei “Burn Slow“ der Fall war.

Gab es Veränderungen im (technischen) Setup? Neue bzw. andere Gerätschaften?

Nur Kleinigkeiten, vielleicht das eine oder andere Effektgerät ist hinzugekommen, aber die Oberhand hatten wie auch schon bei “Burn Slow“ die Geräte von MOOG, KORG, SEQUENTIAL (Prophet), ROLAND und so weiter, also eine Menge alter, schöner, analoger Kollegen.

Die Liste der Kollaborationen ist ja wieder sehr interessant. Neben dem gewohnten Partner Ralf Hildenbeutel hast du erneut mit Polly Scattergood, Ladan/Cold Specks und Miles Cooper Seaton gearbeitet. Wie kam es zu den „Neuzugängen“ Maria Uzor und Tom Adams? Und wie ist die Zusammenarbeit abgelaufen, über Filesharing o. ä.?

Auch schon wie beim letzten Album habe ich bei “Another Day“ wieder unglaublich viel Hilfe vom besten Label der Welt – MUTE – erhalten, insbesondere von Daniel Miller, der mich mit Tom Adams und auch Maria Uzor zusammen geführt hat. Nachdem ich die beiden gesprochen und sie etwas kennengelernt hatte, waren wir uns direkt einig, miteinander zu arbeiten. So war das auch bei Ladan, und mit Miles und Polly hatte ich sowieso schon in „Burn Slow“-Zeiten besprochen, das nächste Projekt zusammen anzugehen, was insgesamt dann glücklicherweise zu dieser großartigen Runde geführt hat. Ich kann mich nur glücklich schätzen dass ich mit solchen Leuten – besonders mit Ralf Hildenbeutel – wieder zusammen arbeiten durfte, aber auch mit diesen wunderbaren Vocalists – und das Ganze noch unter der Federführung von Daniel Miller selbst.

Ich habe gelesen, dass Daniel Miller auch ein paar Sounds beigesteuert haben soll. Stimmt das – und wenn ja, kannst du das näher ausführen?

Daniel war sehr involviert in den gesamten Produktionsprozess dieses Albums [Anm. d. Red.: Chris hat uns anschließend zwei „Beweisfotos“ aus dem Studio geschickt, siehe unten]. Nachdem die Instrumentalstücke alle grob fertig waren, hatte er die Idee, mit seinem Modular-Setup zu uns nach Frankfurt ins Studio zu kommen und jedem Track noch seinen besonderen Feinschliff zu geben. Daniel hatte ein wenig bemängelt, dass bei den Tracks noch ein bisschen die „edge“ fehlen würde. Seine Erfahrung als Produzent im Studio hat dann dazu geführt, dass jeder einzelne Titel nochmal auf ein komplett neues Level gehoben werden konnte – und das noch bevor die Vocalists ans Werk gingen. Ganz am Ende gestaltete sich der Mixprozess dann (in der Hochzeit der Pandemie im Herbst 2020) so, dass Daniel, Ralf und ich in drei unterschiedlichen Studios saßen und über Zoom die Titel online zusammen fertig machten. Somit hat Daniel als Executive Producer im Grunde genommen nicht nur Sound beigesteuert, sondern auch seine gesamte Erfahrung in den Mixdown-Prozess der einzelnen Titel einfließen lassen. Und nicht nur das, er hat auch die einzelnen Single-Releases neu gemischt, um sie für seinen Geschmack gerade im Spotify- und Radio-Rahmen noch wirkungsvoller zu gestalten.

Das ganze Album erinnert streckenweise an Filmsoundtracks. Lässt du dich von Soundtracks inspirieren (von welchen?) und bist du überhaupt ein Kinofan?

Ich bin schon ein Kino-Fan und mag Filme, und natürlich bin ich auch inspiriert von Filmen, unter anderem selbstverständlich von „Blade Runner“, aber die Idee, es irgendwie filmsoundtrackmäßig klingen zu lassen, gab es eigentlich nie. Das passiert eher unbewusst. Es kann aber auch mit daran liegen, dass mein Co-Produzent Ralf Hildenbeutel ein extrem gefragter Soundtrack-Produzent ist, der sehr viel auf diesem Gebiet, besonders für das italienische Fernsehen, arbeitet.

Du willst ja mit dem Album auch auf Tour gehen. Gibt es da neue Liveversionen? Und wie setzt man die Tracks live um, worauf ist da besonders zu achten, um die Interaktion mit dem Publikum hinzubekommen?

Gerade bei mir ist das etwas schwierig, denn die meisten Leute die zu mir auf eine Veranstaltung kommen, erwarten natürlich ein Techno-Set. Von daher wird es eine Gratwanderung sein, dieses Album live umzusetzen. Aber ich habe es definitiv vor und versuche, jeden einzelnen Titel in eine Art Club-Version umzuprogrammieren oder zu remixen. Den Spirit der originalen Album-Versionen möchte ich dabei natürlich vollständig bewahren, sie jedoch wesentlich tanzbarer gestalten und damit auch mein sogenanntes Techno-Publikum zufriedenstellen. Wir arbeiten momentan zusammen mit den Sängern an den Visuals für diesen Live-Act, der ein komplettes Bild des Albums wiedergeben soll.

Und zum Schluss: Welche Musik hörst du selbst gerade so, hast du Geheimtipps für unsere Leser?

Natürlich habe ich auch immer Geheimtipps, am besten geht ihr mal auf meine Instagram-Seite, da habe ich ein Story Highlight, das nennt sich „My Personal Best Albums Ever“. Das ist auch ein Hashtag, und da findet ihr meine Lieblingsalben – eine Liste die immer weiter wächst. Momentan muss ich ganz ehrlich gestehen, auch wegen der Beatles-Dokumentation „Get Back“ höre ich mal wieder besonders viele alte Beatles-Titel, aber grundsätzlich schwinge ich zwischen allem möglichen hin und her, Alternative, 80s, 90s, 70s, bis hin zu Modern Electronica und Techno.

Vielen Dank für das Interview!

„Chris Liebing – Another Day“ bestellen:

Foto: Daniel Miller/Chris Liebing/Ralf Hildenbeutel
Foto: Chris Liebing/Ralf Hildenbeutel

https://chrisliebing.com

www.facebook.com/chrisliebingofficial

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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