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Album des Jahres 2024: The Cure – Songs of a Lost World

Alle gut ins neue Jahr gerutscht? Dann können wir in den nächsten Tagen ja nochmal die vergangenen 366 Tage Revue passieren lassen, der überschaubare Veröffentlichungsmonat Januar gibt es ohnehin her. Wir werden über ein paar interessante Platten reden (bzw. schreiben), uns an besondere Konzerte erinnern … Doch den Anfang macht das Werk, das – szeneübergreifend – für ganz viele Menschen die überragende Erscheinung des Musikjahres 2024 war: „Songs of a Lost World“ von The Cure. Eine Würdigung.

Ganze 16 Jahre haben sie uns warten lassen. Ankündigung folgte auf Ankündigung. Das 14. Album von The Cure entwickelte sich so langsam zum Running Gag. Die treuen Fans blieben jedoch geduldig. Es gab ja immer wieder umjubelte Touren mit Highlights wie dem zum 40-jährigen Bandjubiläum am 7. Juli 2018 im Londoner Hyde Park. Wer dabei war, hat diesen Tag auf ewig in sein Herz geschlossen.

Doch dann … fast plötzlich …

"This is the end of every song that we sing"

Diese Zeilen bohrt Robert Smith nach 3 Minuten und 20 Sekunden von „Alone“ – jenem Song, mit dem sie das Album endgültig ankündigten (und den sie schon seit Jahren live spielen) – ins Herz der Hörer. Und die Tränen fließen. Aber es sind keine Tränen der Trauer. Denn dieses Ende ist ja erst einmal ein Anfang. Von einer Platte, die sich an keinerlei Zeitgeist, Radio- oder Streamingdiensttauglichkeit anbiedert. Die ihrer eigenen Logik folgt, in einem Sound, der so auch vor 15, 25 oder 35 Jahren hätte entstehen können. Und die sich trotzdem zu einem weltweiten Megaerfolg entwickeln sollte, auch kommerziell.

"Oh I know, I know that my world is growing old and nothing is forever"

Robert Smith weiß, wovon er singt. Er kann auch sehr genau einordnen, wie sehr aus der Zeit gefallen er und die Musik seiner Band sind – und doch zugleich zeitlos. Nach den prächtig getragenen knapp sieben Minuten des Vorboten und Openers „Alone“ lässt er in „And Nothing Is Forever“ erst so richtig das Piano und die (synthetischen) Streicher los, um über die Vergänglichkeit zu sinnieren. Aber rechtzeitig, bevor es zu schwermütig wird, schiebt er mit „A Fragile Thing“ fast so etwas wie einen Popsong hinterher.

Worauf die aggressive Phase des Albums folgt. Beim „Warsong“ sagt wieder einmal der Titel bereits das Wesentliche aus. Wie wir alle fühlt sich auch Smith ratlos über das Wesen der Menschheit, sich immer und immer wieder sinnlos zu bekämpfen, im Kleinen wie im Großen. Es ist zum Verzweifeln.

"However we regret all we will ever know is bitter ends, for we are born to war"

Und dann schwirren noch überall Drohnen um uns herum, die so nützlich sein könnten, aber leider viel zu oft für die falschen Dinge (Zerstören der Privatsphäre, Überwachung, Verfolgung, Tötung) missbraucht werden. Das wütende „Drone:Nodrone“ setzt ihnen ein Denkmal in Form eines gen Himmel gereckten Mittelfingers.

Nachdem diese Wut von der Seele gespielt ist, kann das Album zu seiner inneren Ruhe und ins Zwischenmenschliche zurückkehren. Robert Smith verlor innerhalb kurzer Zeit nicht nur beide Elternteile, sondern auch seinen Bruder, dem er nun das berührende „I Can Never Say Goodbye“ widmet. Anschließend wird der Sound noch einmal leichter, während Smith im zugänglichen „All I Ever Am“ über sich selbst und seine Erinnerungen sinniert.

Doch den allergrößten Streich haben The Cure sich fürs Finale aufgehoben. An dieser Stelle wird es höchste Zeit, einmal die anderen Mitwirkenden zu feiern: Der ewig drahtige Simon Gallup schwingt seinen Bass wie eh und je stoisch und energisch, und auch Jason Cooper, Roger O’Donnell und Reeves Gabrels an Drums, Keyboard und Gitarre verrichten erstklassige Jobs. Sechseinhalb Minuten schichtet diese Band im „Endsong“ Sound auf Sound. Zum Niederknien oder Hineinlegen. Und dann singt Robert Smith mit dieser unfassbar jugendlichen Stimme den Mond in seiner blutroten Pracht an. Gibt sich komplett seinem Weltschmerz hin. Bricht uns das Herz. Und bringt uns trotzdem zum Strahlen.

"The end of every song. Left alone with nothing. Nothing. Nothing ... Nothing."

Depechemode.de-Wertung:
★★★★★ (5/5)

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PS: Mittlerweile ist als Ergänzung „Songs of a Live World: Troxy London MMXXIV“ erschienen, der Mitschnitt jenes Konzerts, bei dem The Cure „Songs of a Lost World“ am Veröffentlichungstag in London in voller Länge live aufgeführt haben.

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www.thecure.com

https://www.facebook.com/thecure

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

2 Kommentare

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  1. Weihnachtsgeschenk

    Ich habe die Scheibe „Songs of a Lost World“ als Weihnachtsgeschenk erhalten und mich mit den Worten bedankt: Hey, super, einer der besten Longplayer des Jahres 2024.
    Hier muss erwähnt werden, das ich mich selbst als „Nicht The Cure Hörer“ bezeichne.
    16 Jahre keine neue Musik von „The Cure“ und ich habe in dieser Zeitspanne nicht einen Song (bewusst) von The Cure aufgelegt/gehört.

    Meine Highlights sind „Alone“, „I can never say Goodbye“ und – mein absoluter Favorit – „Endsong“ mit den Zeilen
    I’m outside in the dark
    Wondering how I got so old

    Dieser schier endlos lange Instrumentalteil von „Endsong“, der für mich auch durchaus noch einige Minuten länger dauern dürfte, ist geeignet, um sich in eine andere Realität zu versetzen (tanzen). Und dann die Lyrics. Unglaublich dunkel, episch, emotional und tiefgründig. Für mich das beste Stück auf dem Album.

    Aber auch weitere Alben aus 2024 finde ich interessant zu hören, wenn auch nicht immer produziert für die Ewigkeit. Ich möchte hier nur einige nennen : Deep Purple, Humanist, David Gilmour, The Cure (wird gerade besprochen), The Smile (gleich mit zwei Scheiben), Vampire Weekend und Fontaines DC.

    Da hier Linkin Park und „From Zero“ erwähnt wurde – bereits Teil meiner Bibliothek der hörenswerten neuen Alben – allerdings konnte ich mich noch nicht dazu durchringen, es anzuhören. Irgendwie kann ich mich mit dem Chester-Ersatz nicht anfreunden.

    Ich bin gespannt, was das Jahr 2025 musikalisch zu bieten hat (hoffentlich weniger Deutsch-Rap Schwemme – das Genre ist so gar nicht meines).

    Antworten
  2. Das Jahr der Comebacks

    Für mich war es musikalisch wirklich ein gutes Jahr. Zuerst dieses wirkliche Meisterstück von The Cure, ich hätte niemals gedacht das die wirklich nochmal ein so grandioses Album veröffentlichen werden. Ich liebe es.

    Der zweite Knüller wurde dann ja im September angeteasert, auch damit hatte ich wirklich nicht mehr gerechnet. Linkin Park sind zurück. Ich war anfangs wirklich skeptisch, aber ich feiere seitdem Emily Armstrong, was für ein grandioses Comeback LP da auf die Beine gebracht hat.

    Fazit: Songs of a Lost World und From Zero sind zwei wirklich klasse Alben die man sich auch in 5 Jahren noch gerne anhört, ich jedenfalls! ;)

    Antworten

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