Magne Furuholmen – Keyboarder, Songwriter und ehemaliger Spaßmacher von A-ha – hat ein neues Soloalbum in aller Stille und ohne großes Tamtam veröffentlicht. Am 1. November – an seinem 62. Geburtstag – erschien der erste Song „Living With Ourselves“, der gleichzeitig der Titelsong des neuen Albums ist.
Die Premiere des Albums fand bereits Ende August statt, als Magne im Rahmen eines renommierten Kunstfestivals in Fjord Cadenza einige neue Songs vorstellte, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen Titel hatten.
Nach der letzten A-ha-Tournee im Jahr 2022 begann schon Magne – der ein echter Renaissance-Mensch und ein Phänomen in der Kunstwelt ist, da er nicht nur komponiert, sondern auch aktiv malt – mit der Arbeit an neuen Songs. Er ist auch auf ein paar Songs zurückgegangen, die nicht auf dem „True North“ Album enthalten waren. Diese Songs hatten noch keine bestimmten Titel oder einen bestimmten Zweck. Nicht einmal Magne wusste, ob es neues Material für A-ha, oder ein Apparatjik-Ding wäre. (Apparatjik ist eine multinationale Band, die 2008 von Mitgliedern von Coldplay, A-ha, Mew und Martin Terefe gegründet wurde.) Es hätte auch ein Film-Soundtrack sein können.
Am Ende fühlte es sich an wie eine Solo-Aufnahme, und im Winter 2022 und im Frühjahr 2023 produzierte Magne 10 Songs, die sich ziemlich persönlich anfühlten. Ich habe ihn letzte Weihnachten über diese und andere Themen gefragt, und er hat sich auch ein bisschen Zeit genommen, um mit mir darüber zu sprechen.
Das Album lag ein Jahr in der Schublade
dm.de: Hallo Magne, ich hoffe, es geht dir gut! Danke, dass du dir für mich und unsere Leser Zeit genommen hast. Es stimmt zwar, dass du auf deinem letzten Soloalbum („White Xmas Lies“) etwas enttäuscht über die Weihnachten – bzw. was daraus geworden ist – gesungen hast, aber dein aktuelles Werk erinnerte mich sofort an eine Art-Adventskalender, bei dem du ab Anfang November jede Woche einen Song auf Online-Musikplattformen zur Verfügung stellst. War das die ursprüngliche Idee, Musikerlebnis zu Weihnachten zu schenken oder steckt noch etwas anderes dahinter?
Magne Furuholmen: Das Album „White Xmas Lies“ war eine ironische Betrachtung von Weihnachten, weil es sehr kommerziell geworden ist, während dieses Album nicht als Weihnachtsalbum gedacht war. Es war einfach eine Sammlung von Songs, die am Ende zu einem Soloalbum wurden. Aus verschiedenen Gründen lag das Material fast ein Jahr in der Schatulle, bevor es veröffentlicht wurde, was sehr ungewöhnlich für mich ist. Ich wollte diese Songs einfach auf einer niedrigen Schulter veröffentlichen, für diejenigen, die interessiert sein könnten, und nicht die Aufmerksamkeit von denen erregen, die es nicht sind. Ich hatte das Gefühl, dass es interessant sein könnte, einen Song nach dem anderen zu veröffentlichen, um von dem üblichen Weg wegzukommen, ein neues Album mit viel Werbung zu veröffentlichen.
dm.de: Der Titel des Liedes, das du als erstes von Deinem neuen Album veröffentlicht hast, lautet „Living With Ourselves“. Ich glaube, in der heutigen Welt ist das wohl eines der schwierigsten Dinge, mit sich selbst im Einklang zu sein. Wie gut ist dir das gelungen? Wie gut hast du deinen Platz in der Welt gefunden?
MF: Wenn man sich die eskalierenden Konflikte und Spannungen in der Welt ansieht, scheint es noch schwieriger zu sein, miteinander zu zurechtzukommen. Aber Harmonie und Frieden – und auch das Feiern der Unterschiede zwischen uns als Bereicherung für die Welt und nicht als Bedrohung der eigenen Weltanschauung – muss mit einer ehrlichen und kritischen Selbstbetrachtung beginnen. Ich persönlich bin heute viel mehr im Frieden mit meinen eigenen Unzulänglichkeiten und Stärken, als ich es als junger Mann war. Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Leben sehr viel Glück gehabt habe, auch wenn ich einige schlechte Entscheidungen getroffen habe, und dass ich mich mit den Dingen, die mir auf meinem Weg ungerecht oder unfair erschienen, versöhnt habe. Die meisten Dinge, die einem im Leben passieren – gute wie schlechte – können eine Quelle des Lernens und letztlich der Akzeptanz sein.
dm.de: „Look How Far We Haven’t Come“ und „World So Strange“, so lauten zwei Titel auf deiner neuen LP. Als ich diese Titel las, musste ich unweigerlich an die aktuelle Situation in der Welt denken. Auf dem letzten, schon erwähnten Magne F Album gab es einen Protestsong mit dem Titel „This Is Now America“, der nichts von seiner Aktualität verloren hat. Es ist, als hätte sich die Welt um uns herum noch mehr auf den Kopf gestellt. Protestierst du noch auf deine Art oder bist du es langsam leid, immer wieder auf taube Ohren zu stoßen?
Ich bin kein Protestsänger, aber erhebe meine Stimme
MF: Alles, was ich schreibe, ist eine Reflexion meiner Erfahrungen – von Menschen und Situationen, die mich berühren, die mich ärgern, die mir Hoffnung geben oder nehmen… Ich bin vielleicht kein Protestsänger, aber da mir so viele Menschen die Möglichkeit gegeben haben, Musik zu machen, fühle ich mich verpflichtet, meine Stimme über diese Dinge zu erheben und so ehrlich und ungefiltert zu schreiben, wie ich kann – vielleicht jetzt mehr denn je.
dm.de: „Giving In To Christmas“ ist ein Lied, bei dem man auf die Botschaft des Liedes achten muss. Ich denke, wir sind beide der gleichen Meinung, dass dieses Fest immer leerer wird, dass es seine ursprüngliche Botschaft verloren hat. Und doch versuchen wir, an alten Weihnachtserinnerungen festzuhalten. Damit wir den Glauben an das Fest nicht verlieren.Ist dieser Song so etwas wie eine direkte Fortsetzung der Idee des Albums „White Xmas Lies“?
MF: Ich habe zufällig einen neuen Weihnachtssong geschrieben: „Giving In To Christmas“. Das war so eine Art Entschuldigung dafür, dass ich damals mit dem WXL-Album so ein Grinch war. Haha. Und auch eine Erkenntnis, dass selbst unvollkommene Rituale in schwierigen Zeiten wertvoll sein können.
Ein Song war für A-ha geplant
dm.de: Einer meiner absoluten Lieblingssongs des Albums ist „God Is In The Details“. Es ist melancholisch und ernüchtert, aber und gleichzeitig erhebend und hoffnungsvoll – wie die Wolken am Himmel, die besungen werden. Ich glaube, das könnte ein großer A-ha-Hit werden. Ich weiß, dass du „White Horses“ für das „True North“-Album geplant hast, aber dieser Song hat auch die Quintessenz der A-ha-Hits, die den Fans so am Herzen liegen. Kannst du dir diesen Song mit Mortens Stimme als A-ha-Song vorstellen?
MF: Ja, ich dachte auch, dass es ein Song für A-ha sein könnte, um ehrlich zu sein. Der Text war sogar ein bisschen von Morten inspiriert – Dinge, die Morten über die Jahre in Gesprächen gesagt hatte, also stellte ich mir vor, dass es perfekt für ihn sein würde. Wir nahmen Mortens Gesang tatsächlich auf dem Demo auf, aber es stellte sich heraus, dass er einige wichtige Dinge im Text ändern wollte, um ihn zu singen, und ich wollte sie wirklich nicht ändern.
dm.de: Es gibt auch ein sehr schönes Duett im Set – neben „Look How Far We Haven’t Come“ – das auch auf dem letzten A-ha-Album hätte sein können. Seit wann kennst du die Gastsängerin Tini Flaat schon? Kannst du uns etwas über die Entstehung von „Time Is On Your Side“ erzählen?
MF: Ich kenne Tini seit meinem (einmaligen) Auftritt als Mentor in der ersten Staffel der tv-show ‚The Voice‘ und habe dann vor 10 Jahren mit meinem Kumpel Martin Terefe ihr wirklich schönes Debütalbum ‚Undo My Heart‘ mitproduziert. Für ‚Time Is On Your Side‘ habe ich zuerst alle Vocals selbst aufgenommen, dann hat Morten eine Version davon eingespielt (die ich, wie bereits erwähnt, nicht in die Songs aufgenommen habe, die mir für das ‚True North‘-Album zugeteilt wurden – obwohl Morten sagte, dass es damals einer seiner Lieblingssongs von mir war). Als ich es während dieses Projekts neu aufgenommen habe, war Tini bei mir im Studio und hat ein paar Background Vocals eingesungen, und ich wollte einfach mal unsere beiden gegensätzlichen Stimmen für den Song ausprobieren, und es hat funktioniert.
Ein Stück entsand nach Geburt des ersten Enkelkindes
dm.de: Du hast kurz vor Weihnachten ein mitreißendes Instrumentalstück veröffentlicht. Vielleicht mit der Absicht, die wichtige Weihnachtsbotschaft in unsere Seelen zu bringen? Um sich nicht auf den sonst so wichtigen Text zu konzentrieren, sondern auf die innere Stimme?
MF: Dieses Stück entstand nach der Geburt meines ersten Enkelkindes. Ich stellte mir vor, dass es später einmal Filmmusik werden würde, aber als ich das Album zusammenstellte, hatte ich das Gefühl, dass es auf dieses Album gehört – allein schon, weil es in dieser Zeit entstanden ist.
dm.de: Es ist unmöglich, über dein neues Album zu sprechen, ohne die kunstvoll gestaltete Vinyl-Veröffentlichung zu erwähnen, die es begleitet. Wieder einmal hast du dafür gesorgt, dass die Fans eine Platte in die Hände bekommen, die nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge erfreuet. Die 200 Fans, die im Besitz dieser limitierten Auflage sind, haben wirklich Glück. Welche Kunstform inspiriert die andere? Wenn deine Seele nach Selbstausdruck verlangt, ist es dann der Musiker oder der Maler, der zuerst aus dir herausbricht?
MF: Danke. Ich habe dieses Crossover-Ding mit Musik und Kunst auf all meinen Soloalben gemacht – und es genossen. Es ist schön zu sehen, dass es immer noch Leute gibt, die das schätzen! Was die inspiration betrifft, ist es immer eine Balance, und ich weiß nie so genau, welches Medium gerade den längeren Leinen hat. Aber letztendlich scheint all mein kreativer Output ineinander zu fließen – Wort, Musik, Bild. Für mich gibt es da keine Grenzen mehr.
CD-Version nur in Japan erhältlich
dm.de: Wir wissen schon, dass „Living With Ourselves“ am 22. Januar in Japan auf CD erscheinen wird, und zwar mit einem Bonustrack, einem von Dir gesungenen Demo von „I’m In“, das man schon von „True North“ kennt. Wird es weitere physische Veröffentlichungen von deinem neuen Material geben?
MF: Es gab ursprünglich keinen Plan für eine andere physische Veröffentlichung als die Ltd. Vinyl Edition. Die CD-Veröffentlichung in Japan war ein Anruf von Sony Japan, der völlig unerwartet kam, aber es gibt keine Planungen für weitere physische Veröffentlichungen, nein.
dm.de: Du hast schon vorhin erwähnt, dass du dich auf wichtige Jubiläen freust. Es ist 40 Jahre her, dass „Take On Me“ zum ersten Mal veröffentlicht wurde, und dein erstes Soloalbum („Past Perfect Future Tense“) wurde dieses Jahr 20 Jahre alt. Im Jahr 2025 wird ein Buch über dich auf Norwegisch erscheinen, das auf Interviews mit dir basiert. Geschrieben von dem Journalisten Ørjan Nilsson, der bereits Biografien über Paul (2017) und Morten (2019) veröffentlicht hat. Damit ist seine Trilogie komplett. Wann können die Fans das nächste Mal mit dir und Ihrer deinen Gruppenkameraden feiern? Planst du ein Live-Auftritte, entweder solo oder als Teil von A-ha?
MF: Im Allgemeinen scheine ich mit dem Alter die Jubiläen mehr zu schätzen gelernt zu haben (früher habe ich darüber gelächelt), und ich persönlich hätte es geliebt, die vergangenen unglaublichen Zeiten mit A-ha zusammen mit unseren langjährigen Fans auf der ganzen Welt zu feiern, aber das liegt natürlich nicht nur an mir. Als Solokünstler ist das machen von Platten bei weitem das Wichtigste für mich, aber ich habe mit ein paar Soloauftritten geliebäugelt. Wir werden sehen. Und hey – es gibt eine winzige Live Aufnahme, die ich kurz vor Weihnachten für das Fernsehen gemacht habe und die jetzt irgendwann im Januar rauskommt, glaube ich, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie außerhalb Norwegens erhältlich ist…
https://tv.nrk.no/serie/nrk-scenen/sesong/2025/episode/MKDU44000125
Trackliste – Living With Ourselves:
Look How Far We Haven’t Come
One 4 All And All 4 None
Living With Ourselves
God Is In The Details
Teo’s Theme
Time Is On Your Side
White Horses
World So Strange
You Won (And Then Some)
Giving In To Christmas
Hold The Line
Vielen Dank für das Interview und den Link zur Bestellung!