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Über die Kölner Szene, die 70er, die 80er und mehr

Roosevelt im Interview: „Man kann durchaus ein Clubgefühl in einem Bandgefüge präsentieren.“

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Auch zu diesem Album des Monats haben wir ein Interview für euch. In den Räumen seines Berliner Labels City Slang sprachen wir mit Marius Lauber alias Roosevelt.

Marius: Ah, depechemode.de. Ich habe bei euch letztens das Drangsal-Interview gelesen. Ich bin ja immer wieder begeistert, was man mit Depeche Mode noch so erreichen kann. Wie oft wir schon irgendwo gespielt haben, und dort waren Depeche-Mode-Partys. Das ist eine der wenigen Bands, die auch ohne Anwesenheit der Band Leute anzieht. Einfach wegen der Community.

dm.de: Ja, das stimmt wohl. Und so lange die Band es schafft, alle vier Jahre ein Album rauszubringen, hält sich das auch… Nun aber zu dir: Wie ist gerade so die Stimmung, kurz bevor das Album endlich herauskommt?

Eigentlich total aufgeregt. Ein bisschen müde auch von den vielen Interviews. Aber das ist trotzdem ganz angenehm, weil ich dadurch merke, dass es jetzt richtig losgeht.

Es hat ja fast vier Jahre gedauert von der ersten EP bis zum ersten Album. Letztes Jahr hattest du schon einen ersten Entwurf fertig?

Ja, der hatte einfach weniger Stücke. Das Album war da noch kürzer. Ein Stück davon hat es dann nicht mehr geschafft. Es ist aber nicht so, dass ich alles nochmal umgekrempelt hätte. Ich habe es nur länger gezogen und vielleicht ein bisschen breiter ausformuliert. Das beste Beispiel ist „Belong“, das für mich ganz klar noch elektronischer klingt. Keine echten Drums, kein echter Bass, das klingt sehr synthetisch. Das habe ich am Ende gemacht, weil das für mich noch so ein fehlendes Puzzleteil war. Ich hatte dann im letzten Jahr auch mein eigenes Studio in Köln, davor war ich meistens in den Studios von anderen Leuten eingemietet. Diese Zeit [im eigenen Studio, Anm. d. Red.] hat sich am intensivsten angefühlt, weil ich da das Ganze geformt habe. Dort habe ich noch vier Stücke gemacht, die jetzt für mich essenziell sind.

https://youtu.be/f9kn3PufaZo

Dieser Ablauf ähnelt für mich so ein bisschen dem von den Jungs von Vimes. Die hatte ich vor ein paar Monaten im Interview und die kommen ja auch aus der gleichen Ecke.

Ja, mit denen war ich auch im Studio zusammen.

Das hatte ich mir gedacht. Da ist ja auch so eine kleine Szene, mit Von Spar, COMA usw. – wie ist da so der Zusammenhalt, tauscht man sich auch mal aus in Köln?

Das Angenehme an Köln ist für mich die Größe. Das ist noch so klein, dass man einen Austausch hat, in dem es nicht um spezielle Genres geht, sondern eher darum, dass man miteinander zurecht kommt. Und dass gerade ein unterschiedlicher musikalischer Ansatz einen zusammen führt, der einen in größeren Städten eher auseinander zieht. Das fand ich immer interessant an Köln – und dass es trotzdem so eine Größe hat, dass eine gewisse Relevanz vorhanden ist. Wahnsinnig viele interessante Sachen kommen gerade aus Köln. Bands wie Woman oder Wyoming. Das gefällt mir an Köln. Oder auch, dass ich bei COMA im Studio gelandet bin. Das wäre so in der Art in anderen Städten nicht passiert, glaube ich. Diese Offenheit mir gegenüber, weil ich damals schon eher so ein Indie-Kid war, das aus einer Indieband kam. Auch, dass Tobias Thomas mich als Resident DJ mit auf seine Party genommen hat [die Total Confusion], die schon sehr in der Technowelt angesiedelt ist.

Die Tracklist auf dem Album – hast du lange daran herumgebastelt? Es geht ja schon ein wenig in Richtung DJ-Set.

Es war mir wichtig, dass das Album sich nicht wie eine Compilation anfühlt.

Ja, denn auf der anderen Seite sind locker die Hälfte der Tracks Singles.

Richtig, aber es war mir eben wichtig, dass es auch Stücke gibt, die atmen können. Dass es eben nicht so verdichtet zusammengepackt ist. Das Auflegen hat mir bestimmt dabei geholfen, ein Gespür dafür zu kriegen. Wobei, das hat mir eher dabei geholfen, nicht so darüber nachzudenken – sondern dass es für mich selbstverständlich ist, zum Teil sogar schon beim Produzieren zu überlegen, der Track muss ans Ende oder so. Wie bei „Close“ – wo es ja auch der Name schon sagt.

Du hattest eben schon das rein elektronische „Belong“ angesprochen. Bei anderen Tracks hört man auch „echte“ Instrumente. Wie wichtig war das für dich, dass da auch so eine gewisse organische Wärme reinkommt?

Sehr wichtig. Ich habe das schon damals auf Tracks wie „Sea“ probiert und da noch mehr mit Samples und Loops gearbeitet. Und jetzt war mir wichtig, das quasi auszuformulieren. Ich wollte eher zu einer klassischen Bandproduktion hin. Es gibt immer noch Loops und so, aber grundsätzlich hatte ich den Anspruch, das Album eher wie eine Band anzugehen. „Belong“ ist zwar genau das Beispiel, wo das nicht passiert ist, aber hauptsächlich dominiert schon ein echter Schlagzeugsound, so trocken 70er-mäßig. Das Fundament ist tatsächlich bei den meisten Stücken Gitarre, Bass, Schlagzeug. Deswegen verwundert es mich doch manchmal, warum ich oft eher in der Technoproduzentenecke verortet werde. Das finde ich aber auch witzig, und ich würde da auch nicht gegensteuern.

Du sprachst diesen 70er-Sound an – du bist ein Fan von diesem 70er-Softpop – andere nennen es Yachtpop. Wie kommt man zu dieser Musik?

Ich habe in den letzten Jahren festgestellt: Schon bei Leuten, die nur fünf Jahre älter sind als ich, sieht es ganz anders aus, wie sie mit Musik groß geworden sind. Als ich mit 15, 16 angefangen habe in Bands zu spielen, war das Internet so präsent, dass das nicht mehr irgendwas Neues war, sondern das Medium, auf dem alle möglichen Sachen stattfinden und auf dem ich stattfinde als Künstler. Deswegen sind auch Veröffentlichungen, die stattfanden, bevor ich geboren wurde, für mich präsent. Das hat viel damit zu tun, dass Dinge so verfügbar sind. Ende der 90er war das noch ein viel größerer Aufwand, sich Sachen der 70er anzuhören. Weil man danach suchen und die richtigen Leute finden musste. Jetzt ist es verfügbar, und ich finde das eine sehr gute Sache, die mir sehr geholfen hat. Mir war das auf dem Album wichtig, dass ich viele Dinge bewusst zitiere, aber nie zu eindeutig dabei werde. Deswegen kann man nicht sagen, das ist ein 80er- oder ein 70er-Jahre-Album. Ich mag das nicht, wenn eine Band zu stark wie eine Revivalband rüberkommt.

Man engt sich dann auch schnell zu sehr ein.

Genau, ja. Mir war es wichtig, diese Einflüsse zu benutzen, aber trotzdem ein Album zu machen, das eben 2016 herauskommt, mit einer kontemporären Produktion.

Was mir gerade hinsichtlich der 80er-Einflüsse in den Sinn kam: Seit dem Soundtrack zu „Drive“ sind nicht die cheesy 80er, sondern die cooleren 80er…

die darkeren 80er…

genau die, mit den coolen Synthiesounds, die sind wieder aufgekommen, auch in weiteren Filmen wie „The Guest“ oder aktuell auf Netflix mit der Serie „Stranger Things“ – ich weiß nicht, ob du so etwas siehst…

Die habe ich schon durchgeschaut!

Super! Und ich finde, ein Stück wie „Belong“ passt da auch bestens dazu.

Ja! Das ist ja bei diesem Song auch relativ klar auf einen bestimmten Sound eingegrenzt. Dieser typische Toms-Sound von diesen Simmons-Pads, der Snaresound, das zielt eindeutig auf so eine klinische 80er-Attitüde ab. Das hat das Album für mich genau richtig an dieser Stelle gebrochen. Wenn man es mit einem Stück wie „Wait Up“ vergleicht, das so mit Westcoast-Gitarrenriff eher die 70er anspricht. „Wait Up“ ist als letzter Song entstanden – und das waren eben zwei wichtige Pfeiler, die ich noch setzen wollte. Die Chromatics waren auch eine wichtige Band für mich, die mir dieses düstere, mysteriöse 80er-Feeling nahegebracht haben.

Nochmal zu den Einflüssen: Du erscheinst international ja bei Greco-Roman, hast auch bei Joe Goddard [von Hot Chip] im Studio gearbeitet.

Ja, nur so drei-, viermal. Ich kam mit Midi-Files an und habe mir dann aus seinem Synthesizerpark Audiofiles mitgenommen.

Hatten da auch Hot Chip Einfluss auf dich, man könnte das bei „Night Moves“ ja durchaus heraushören?

Gar nicht so sehr in letzter Zeit – wir waren ja bei ihnen Vorband im vorigen Jahr. Aber schon bevor ich auf das Label kam, waren Hot Chip eine dieser Bands – da würde ich jetzt LCD Soundsystem und The Whitest Boy Alive noch mit dazuzählen –, die mir zu einer Zeit, in der ich noch in einer Indieband gespielt habe, gezeigt haben, dass man durchaus ein Clubgefühl in einem Bandgefüge präsentieren kann.

The Whitest Boy Alive wollte ich auch als Nächste ansprechen – die höre ich wiederum bei „Moving On“ heraus. Mehr so vom Stil her, dieses Fluffige, Sommerlich-Entspannte.

Die Gesangslinie, hat mir irgendjemand gesagt, würde an Erlend Øye erinnern. Auch diese Art und Weise, wie The Whitest Boy Alive Funk angedeutet haben, ohne zu peinlich weiß daherzukommen, das fand ich immer interessant. Fast schon Slow-Motion-Funk.

Beim Funk hatte ich auch diese DFA-Einflüsse im Kopf, auch das Saxofon bei „Moving On“. Oder „Hold On“, das noch ein wenig in diese !!!-Richtung geht.

Ja, DFA als Gesamtes, auch James Murphy als Produzent, waren immer ein Rieseneinfluss. Ich habe mir da so meine Sachen herausgepickt. Holy Ghost! zum Beispiel noch. Was mich bei DFA am meisten beeinflusst hat, war auch deren Attitüde. Man kann auch einen Stil haben, der relativ in der Popmusik verwurzelt ist, ohne das wie ein typischer Popkünstler des 21. Jahrhunderts präsentieren zu müssen. Diese zurückhaltende Art und Weise, das Understatement, auch bei den Liveshows.

Wie findest du es, dass James Murphy [mit seinem LCD Soundsystem] jetzt zurückkommt?

Ich finde das gut, einfach um die mal live zu sehen. Wir haben jetzt auf dem Primavera Festival mit denen gespielt. Manchmal kann das zwar so ein Bild des „Wie wäre es gewesen, wenn ich damals dabei gewesen wäre?“ zerstören. Mich hat es zwar gar nicht mal so vom Hocker gehauen, weil vielleicht genau das passiert ist, dass ich dem Gedanken hinterher getrauert habe, die früher nie gesehen zu haben. Aber es war trotzdem eine wahnsinnige Show, ich fand besonders gut, dass die eben keine große Show daraus gemacht haben. Die hatten einfach die Einstellung, das bestmögliche Konzert spielen zu wollen.

Wie ist es bei dir so mit den zukünftigen Liveplänen? Du spielst ja jetzt auch immer mit Band.

Das bleibt auch so, auf jeden Fall. Das machen wir jetzt schon seit zwei Jahren, und das ist die einzig konsequente Art und Weise, die Musik zu präsentieren. Wenn ich alleine wäre, würde ich wohl eher nur auflegen. Die Bandbesetzung hat sich zwar zwischendurch nochmal geändert, aber seit etwa einem Jahr steht die jetzige Besetzung. Im September, Oktober geht es zum ersten Mal richtig auf Tour. Da freue ich mich auch drauf, dass das jetzt so komprimiert stattfindet. Vorher war das eher so: Drei Tage Tour, dann Studio, dann wieder Tour – so etwas zehrt wahnsinnig. Da habe ich es lieber, so extrem zu touren. Jetzt im September sind wir in den Staaten, elf Tage, zehn Städte. Die meiste Energie kostet es mich eigentlich immer, mein Mindset zu ändern. Wenn ich dann erstmal auf Tour bin, vom Studio loslassen und in die Rolle des Performers schlüpfen kann, dann kann ich das auch sehr genießen. Nächstes Jahr soll es dann aber auch irgendwann an neues Material gehen, das soll ja nicht nochmal vier Jahre dauern [lacht].

Wird es da zwischendurch noch Veröffentlichungen geben, Remixe, Eps oder so?

Ich arbeite gerade an zwei Tracks, die ein bisschen elektronischer sind. Die haben als Demos schon existiert, aber auf dem Album keinen Sinn ergeben. Die werden vielleicht als 12“ herauskommen, um vielleicht auch noch einmal die clubbige Seite zu zeigen. Und dann ist der größere Plan eben, nächstes Jahr nach den Festivals ans zweite Album zu gehen. Ich hätte schon auch Lust, mal so Prince-mäßig jedes Jahr ein Album rauszuhauen.

Zum Schluss fragen wir immer gerne, was gerade so im Tourbus rotiert. Was der Künstler so hört oder empfehlen kann.

Kann ich dazu mal Spotify ansehen?

Na klar.

Man nennt dann zwar irgendwas, weil man etwas sagen muss, aber oft ist das gar nicht das, was tatsächlich läuft… [blättert durch seine Spotify-Liste] Wir haben gerade Majical Cloudz gehört, auch während der Albumproduktion. Gerade, weil die eben nicht so eine pompöse aufgebauschte Produktion haben – im Gegensatz zu mir manchmal. Die Kölner von Woman finde ich, wie schon gesagt, großartig, wahnsinnig gut produziert. Dann noch so eine neue Band, Porteous. Und immer, wenn wir irgendwo mit dem Tourbus ankommen, hören wir Breakbot mit „One Out Of Two“.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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P.S. Roosevelt live:
13.10. Zürich – Papiersaal
14.10. München – Strom
15.10. Leipzig – Werk2
17.10. Köln – Stadtgarden
18.10. Hamburg – Uebel & Gefährlich
21.10. Wien – FM4 Club
29.10. Düsseldorf – New Fall Festival
30.11. Berlin – Lido

www.iamroosevelt.com
www.facebook.com/iamroosevelt

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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