Home > Magazin > Interviews > Torben Schmidt – “ Wenn die Chemie nicht stimmt ist auch der beste 100-seitige Vertrag Makulatur.“
- Anzeige -

Interview

Torben Schmidt – “ Wenn die Chemie nicht stimmt ist auch der beste 100-seitige Vertrag Makulatur.“

/ 1 Kommentar

Der freundliche, oftmals etwas schüchtern wirkende Torben Schmidt ist nicht nur Musiker und DJ, sondern auch der Mann, der hinter „Infacted Recordings“ steckt. Wie man zwischen all dem Trubel mit den Bandreleases, eigenen Auftritten und einer Tochter noch so ruhig und gelassen bleiben kann, war mir ein Rätsel und so habe ich Torben gebeten mir ein paar Fragen zu seinem Label, seiner Tätigkeit bei Suicide Commando und der Tatsache, dass ich ihn immer in einem blauen Hoodie erwische, geredet. Lest selbst!

Obligatorische erste Frage: Wie geht es dir und wie waren die letzten Wochen so für dich? Zwei deiner Bands waren ja im Releasestress.
Um ehrlich zu sein waren es nicht nur zwei. Neben FROZEN PLASMA und TORUL haben auch X MARKS THE PEDWALK ein grandioses neues Album am Start und im Hintergrund laufen die Arbeiten zur ersten The FIRM INCORPORATED CD und zum neuen RUINED CONFLICT ALBUM.Nebenbei bereiten wir neues Material von REAPER, PREEMPTIVE STRIKE 0.1, ORANGE SECTOR und SOMAN vor. Ach ja, fast vergessen, neulich war ich dann selbst noch mit SUICIDE COMMANDO auf dem Dark Dance Treffen und habe parallel das Nachtmahr-Konzert in Frankfurt veranstaltet. Was in der Woche so los war? Frag nicht! (lacht)

Ich glaube dir wird zumindest nicht langweilig (lacht). Wie ist das eigentlich für dich, wenn eine deiner Bands eine neue Veröffentlichung plant? Leidest du mit? Bist du mit gestresst?
Ich denke die Vorfreude überwiegt. Irgendwie sind neue Veröffentlichungen immer spannend. Es gibt extrem viel zu organisieren, koordinieren, aber auch zu genießen. Stress ist es sicher, aber vorwiegend positiver Stress. Ich mag das und gehe darin auf.

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen ein Label aufzumachen und wie kam es zu dem Namen?
So anno 2000 ist in mir die Idee gewachsen etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Antrieb war eigentlich Dennis Ostermann, der mir mal auf den Kopf zugesagt hat, warum ich eigentlich immer für andere die Arbeit mache, statt selbst etwas zu starten. Da hab ich dann eine Weile darüber nachgedacht und irgendwann Infacted Recordings aus der Taufe gehoben. Der Name ist sozusagen eine spontane Sache gewesen, ich wollte einen Namen der etwas aussagt, aber auch interpretierbar ist, dazu durfte es ihn nicht geben, daher dieses Konstrukt aus „Infect“ und“ Fact“ mit dem Zusatz „Recordings“. „Infizieren und Fakten schaffen“, wenn man so interpretieren will.

Und was ist das Schönste daran ein eigenes Label zu haben?
Endlich zu wissen, wofür man sich die Nächte um die Ohren schlägt.

Ich höre nur positives über dich und Infacted Recordings. Deine Schützlinge scheinen echt zufrieden mit dir zu sein (lacht). Wie machst du das?
Ich glaube nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Bands zu haben, selbst zu denen, die nicht mehr bei mir sind oder die die ich nicht veröffentlichen wollte. Es basiert viel auf Freundschaft und das ist mir wichtig. Mir war dieser Familiengedanke schon immer ein Anliegen. Da bin ich ziemlich großer Fan von Moses Pelham und seinem 3P Label, auch wenn es musikalisch natürlich in eine ganz andere Richtung geht.

Hach, das ist irgendwie schon schön mit anzuhören. Was unterscheidet dein Label jetzt von all den anderen da draußen und worauf legst du bei der Künstlerauswahl wert?
Ich weiß nicht, ob ich mich zwingend unterscheiden muss. Mein Leitfaden ist es, Musik zu veröffentlichen, die ich mag. Musik, die im Mainstream wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielt, aber das ganz bewusst. Ich bin mit viel Herzblut dabei und, jedenfalls soweit ich das über mich selbst sagen kann, mit viel Liebe zum Detail bei der Sache (grinst).

Für alle da draußen im Depechemode-Forum, die selbst seit Jahren im Keller am Synthesizer schrauben, wäre es ja sicher interessant mal zu wissen, was man bei dir erfüllen muss, um einen Vertrag zu bekommen. Erzähl mal!
Ganz einfach: Es muss mir gefallen (lacht), aber ernsthaft, es ist extrem schwer das Rad neu zu erfinden.DEN Tipp gibt es nicht. Bei der Bandauswahl ist tatsächlich mein eigener Geschmack das Hauptkriterium. Musikalisch kann das in viele Richtungen gehen, sollte aber primär elektronisch sein. Was mir gefällt wird gemacht (grinst).

Dann hoffe ich jetzt, dass du eine Demoflut zugesendet bekommst und ganz viele neue Sachen entdecken darfst (lacht). Funktioniert das heute noch wie in den 80-ern? Handschlag und einfach machen – oder ist das alles wesentlich bürokratischer geworden?
Zum Glück funktioniert viel per „Handschlag“ und auf Zuruf. Vertrauen ist ein wichtiger Bestandteil, aber wenn man ehrlich ist, wenn die Chemie nicht stimmt ist auch der beste 100-Seitige Vertrag Makulatur.

Ja, da muss ich dir Recht geben. Vertrauen ist schon die wichtigste Grundlage. Was war denn dein bisher lustigstes Erlebnis in Bezug auf das Plattenlabel?
Das ist alles total ernst hier. (Pause) Gelacht wird nicht (lacht). Da gibt es eigentlich so viele Sachen. Gerade neulich musste ich erst wieder lachen als ich den FROZEN PlLASMA Trailer zu „Living on Video“ vom neuen Album“ Dekadenz“ gesehen habe, oder die erste Folge von „Reaper Trash TV“. Meine Künstler bringen mich sehr oft zum Lachen, das macht Spaß und motiviert.

Jemand hat mir mal gesagt, du würdest total auf Synthpop stehen. Stimmt das oder hat sich über die Jahre dein Musikgeschmack auch geändert?
Da hat „Jemand“ tatsächlich Recht gehabt (grinst). Ich mag Bands wie MESH, IRIS, TORUL, FROZEN PLASMA, natürlich DEPECHE MODE, ERASURE, PET SHOP BOYS und, und, und. Ich mag gute Melodien und ansprechenden Gesang.

Ich saß neulich mit einer ebenfalls schreibenden Kollegin zusammen und wir stellten fest, dass wir so ziemlich unbezahlt arbeiten und mit Liebe und Interesse auch ein bisschen beitragen, die Musikwelt zu erhalten. Von Idealismus kann aber von uns beiden auch keiner leben (lacht). Kannst du von den Einnahmen von deinem Label überhaupt leben oder geht es dir wie so vielen in der Szene?
Ein guter Schuss Idealismus ist definitiv dabei. Die Zeiten wo man als kleines Electrolabel nur mit CD-Verkäufen sein Auskommen hatte sind tatsächlich vorbei. Durch meine Tätigkeit als Musiker, Produzent, Labelmacher, Veranstalter, DJ und Promoter ist es sicherlich eine Schnittmenge aus Allem. Ich mache aber immer noch etwas was mir Spaß macht, das ist für mich so etwas wie Luxus.

Nun bist du ja nicht nur der Herrscher von Infacted Recordings , sondern veranstaltest auch Parties, spielst bei Suicide Commando, legst selbst auf und bist sehr fußballinteressiert. Hast du noch Freizeit und wenn ja wie viel davon?(lacht)
Ja, die habe ich tatsächlich. Fußball und vor allem meine Tochter sind für mich „Ausgleich“, denn auch wenn sich das Niemand so richtig vorstellen kann, ab und zu braucht man auch mal eine Auszeit von der Musik. Dazu kommt Sport, ich spiele selber Fußball und Tennis.

Der Herr Schmidt ist ja richtig sportlich. Wow. Wie bist du damals überhaupt dazu gekommen, bei SUICIDE COMMANDO zu spielen?
Das war 2000 auf dem M‘era Luna, oder ich glaube es hieß damals noch Zillo Festival. Ich kenne Johan schon weit über 20 Jahre und wir waren immer ein Wenig lose befreundet. Er hat mir dort erzählt, dass sein Keyboarder aufhört und er jemand Neuen sucht. Da hab ich ihn angeschaut und gesagt „dann mach ich das halt“ (lacht). Drei Wochen später haben wir bei ihm in Belgien in seinem Studio geprobt, und 2 Monate später unser erstes Konzert gespielt. Dieses Jahr bin ich schon 15 Jahre dabei und es macht immer noch einen riesen Spaß. Wir sind eine klasse Truppe geworden und reisen kreuz und quer durch die Welt.

Du bist ja schon ein bisschen ruhiger als Mario und Johan – oder täuscht das? Wie kommt ihr auf Tour miteinander aus und wer hat da welchen Part?
Ich hasse die Beiden (lacht). Nein, ich denke genau weil das so ist, kommen wir so gut miteinander aus. Ich halte den ganzen technischen Kram von Johan fern, dafür ist er der Frontmann, der die Aufmerksamkeit bekommt. Auch Mario genießt das und ist ein echtes Tier am Schlagzeug. Die Mischung macht es und genau deshalb funktioniert es auch so gut.

Jetzt kommt eine Stichel-Frage: Wie viel spielst du eigentlich live und wie viel kommt vom Band, sei ehrlich.
Also von Band kommt gar nix (grinst). Wir benutzen einen Computer. Um aus dem Nähkästchen zu plaudern, natürlich kommt ein Großteil der Musik aus dem Computer, das wäre technisch bei vielen Songs auch schwer umsetzbar, aber ich sehe keinen Unterschied darin ein Mehrspur-Gerät auf die Bühne zu stellen, nur damit mehr Kanäle am Mischpult blinken. Ich bin an meinem Platz aber gut beschäftigt, sprich: Ich mache die Backings, alle Videos, sämtliche Stimmeffekte, den Vocoder, zusätzlich Einiges an Flächensounds und Sprach- und Noise-Samples. Wie Du siehst wird mir definitiv nicht langweilig.

Um mal vom selbst musizieren weg zu kommen: Du legst ja auch auf und wie ich finde, sehr gut. Was muss man deiner Meinung nach haben und können um ein guter DJ zu sein?
Danke, das freut mich. Ich bin einer der nicht so zahlreichen DJ‘s in unserem Musiksegment, den ich selber auch als DJ bezeichnen würde. Weg vom reinen Platten „auflegen“ bin ich ein DJ der gerne auch Beat-mixt, sprich Songs nicht einfach bis zum Ende laufen lässt und dann den nächsten startet. Einen guten DJ zu definieren ist schwer. Ich hab schon DJ‘s gehört, die super mixen können, aber bei der Musikauswahl ziemlich daneben lagen. Umgekehrt gibt es das natürlich auch. Ein DJ ist ein Stück weit Entertainer, aber auch Künstler und so sehe ich mich zumindest ein Stück weit. Man muss mit den Leuten arbeiten, aber auch auf sie eingehen können. Die Tanzfläche beobachten und nicht stur sein Ding durchziehen, ist glaube ich ein guter Ansatz.

Wie sieht das eigentlich aus, wenn du schlechte Laune hast und wann bekommst du welche?
Wenn ich schlechte Laune habe geh ich Holz hacken (lacht). Dabei sieht mich aber Keiner.

Die Frage muss ich noch loswerden, bevor wir langsam Schluss machen können: Wie lieb hast du dieses blaue Sweatshirt eigentlich? Das hast du jedes Mal an, wenn ich dich sehe (lacht).
(Lacht) Blau ist ja eigentlich nicht so wirklich meine Farbe. Aber Du hast Recht, das finde ich gut, wobei ich auch zwei davon habe, die sehr ähnlich sind. Ich mag Hoodies generell.

Mystery solved (lacht). Was ist dein CD-Tipp für das Frühjahr und welches Festival darf man dieses Jahr auf keinen Fall verpassen?
Also alle Infacted-CDs sind definitiv einen Kauf wert (lacht).

Immer diese Schleichwerbung!
Ein bisschen muss sein (lacht). Ich selbst freu mich sehr auf das TORUL-Album, aber auch auf FROZEN PLASMA und die erste CD von THE FIRM INCORPORATED wird ziemlich spannend. Kolja von SOMAN bastelt gerade an neuen Sachen und auch Jos von GRENDEL hat mir erste Demos zugeschickt, das klingt alles wirklich vielversprechend.

Nicht schlecht, nicht schlecht. Es bleibt also musikalisch ein spannendes Jahr. Auch dir steht natürlich zum Schluss eine Nominierung für ein neues Interview zu. Schieß los!
Ich selber habe früher ja auch einiges an Interviews gemacht, unter anderem mal ein Interview mit Dieter Meier von Yello, das war extrem beeindruckend. Wen ich nominiere… hm… Mach doch mal ein Interview mit Albert von Contribe, der hat sicher so Einiges zu erzählen.

Mehr Infos zu den Bands, neuen Releases und viel mehr gibt es natürlich auf der Labelseite von Infacted Recordings.

Josie Leopold

Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrückter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews führe, Beiträge verfasse oder versuche Wordpress davon zu überzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.

1 Kommentar

Wir freuen uns über Deinen Kommentar. Bitte beachte unsere Nutzungsregeln.
  1. Applaus! ;)
    Intelligente Fragen…intelligente Antworten! *Chapeau*

Kommentare sind geschlossen.

- Anzeige -
Consent Management Platform von Real Cookie Banner