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Interview

Ølåf Å. Reimers: „Die Bestellsysteme kleinerer Label oder Direktvertriebe sind oft einfach die Pest.“

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Auch zum Ostermontag schlafen wir natürlich nicht. Die Eiersuche ist durch, dem Osterhasen wurde lieb gewunken und so können wir nun ein bisschen von den Feiertagen erholt wieder mit einem Interview in die neue Woche starten. Heute steht uns Ølåf Å. Reimers von Tyske Ludder und Harmjoy Rede und Antwort. Neben dem Thema „mysteriöser Backstagebereich“ ging es auch um den gerechtfertigten Preis für CDs, Streamingdienste, Fledermäuse und um Douglas McCarthy, der seine Weinflasche suchte. Viel Spaß beim Lesen!

Hallo, wie geht es dir heute?
Hallo Josie. Ziemlich viel um die Ohren gerade, zur Zeit arbeiten wir ja am achten TYSKE LUDDER Album und ich muss die erste Live-Show in Europa von Harmjoy vorbereiten. Die Arbeiten am vierten offiziellen Harmjoy-Video zu „My Tears Fall“sind schon ein Weilchen durch. Da bleibt im Moment viel anderes, privates auf der Strecke. Aber meine Familie ist da Kummer gewohnt (lacht).

Klingt nach dem ganz normalen Musikerwahnsinn (lacht). Wie ich gehört habe, bist du ja fleißig im Studio. Woran bastelst du aktuell?
Wie gesagt, arbeiten Claus und ich gerade am achten TL-Album. Die Tracks sind weitestgehend fertig geschrieben und müssen momentan noch ausproduziert werden. Claus fährt im Moment einmal die Woche nach Gelsenkirchen, um im Studio von ROTERSAND die Vocals aufzunehmen. Krischan (ROTERSAND) ist dann auch gleich einer der drei Produzenten des neuen Albums. Des Weiteren haben wir auch wieder, wie bereits bei der Produktion des Harmjoy Albums „Silver Lining of the Mushroom Cloud“, Hilger und Andreas von „Motel-Music“ mit an Bord. Das hat so wunderbar geklappt mit den Dreien, so dass wir das auch mal im Tyske-Ludder-Kontext ausprobieren wollten.

Ich könnte jetzt fragen, wann man denn Dich und TYSKE LUDDER oder HARMJOY wieder live sieht. Dabei weiß ich ganz genau, dass beide Bands auf dem Kasemattenfestival spielen. Freust du dich?
Klar freu ich mich! Für HARMJOY ist es die erste Show in Europa, da bin ich mächtig aufgeregt, wie das Ganze mit DAN live auf der Bühne funktioniert. Wir haben uns einige Gimmicks ausgedacht, mal sehen ob wir das alles auch umsetzen können. Natürlich ist es dann auch gleich die Generalprobe für unsere HARMJOY-Show beim Wave Gotik Treffen!
Für Tyske ist es dann ja der Start in die Konzertsaison 2015 und da überlegen wir im Moment wie sinnvoll es ist, bereits Tracks vom kommenden Album live zu präsentieren. Das Ganze natürlich in der großartigen Atmosphäre einer Sandsteinhöhle, das wird schon spannend. Das scheinen aber auch die potentiellen Festivalbesucher so zu sehen, wie ich gehört habe, läuft der Vorverkauf recht gut.

Ja, ich habe gehört das wohl nicht mehr allzu viele Restkarten zu haben sind. S.P.O.C.K. machen ja ein Wunschlistenkonzert und lassen voten, was kann man denn von TYSKE LUDDER und HARMJOY erwarten?
Oh, da wird es wie gesagt einige Gimmicks geben, aber das darf ich natürlich an dieser Stelle noch nicht verraten. Wer aber die Tyske-Shows kennt, weiß ja, dass wir viel mit themenbezogenen Videoprojektionen arbeiten, die dann Claus energiegeladene Performance dezent unterstützen. Noch dazu haben wir ja seit einiger Zeit live immer unseren englischen Drummer Jay Taylor dabei. Das unterstützt natürlich massiv den Live-Charakter einer solchen Performance. Schließlich soll so ein Live-Ding ja auch eben „Live“ sein und sich schon von der reinen Wiederholung der Studiotracks unterscheiden; das haben wir uns auf jeden Fall bei TL und jetzt auch bei Harmjoy auf die Fahnen geschrieben. Jay kommt ja eigentlich von TACTICAL SEKT, ist aber inzwischen mehr echtes Tyske-Mitglied als er das zuletzt bei TS war. Das freut uns natürlich und wir sind echt froh, dass wir uns so auf der Bühne nochmal anständig verjüngen und die Power multiplizieren konnten.

Das klingt doch schon mal echt gut. Ich bin ja auch vor Ort und gucke mir das Ganze an. Ich kenne die Höhle sogar, weil ich dort in der Nähe aufgewachsen bin. Sag mal, hast du jemals in so etwas wie einer Höhle gespielt?
Tatsächlich habe ich das schon mal. Vor zwei oder drei Jahren habe wir zusammen mit NITZER EBB eine Live-Show in Salzburg gespielt, was großartig war, aber auch die Logistik und die Sound-Technik vor ganz andere Herausforderung stellt. Ich bin da echt gespannt, wie der Holger das beim Kasemattenfestival in den Griff bekommt. Und das Klima in einer solchen Höhle ist ja auch sehr speziell, Claus hat damals immer gewitzelt, dass er jeden Moment einen „Grabenfuss“ bekommt, da das ganze Ding eine so hohe Luftfeuchtigkeit hatte. Ich erinnere mich noch gerne an einen Douglas McCarthy, der vor lauter Nebel im Backstageraum fluchte, weil er seine Rotweinflasche nicht mehr wieder finden konnte. Wir hatte da ein wenig auf der Bühne mit dem Fluid übertrieben und wo sollte der Nebel auch hin? (lacht)

Hast du Angst vor der Dunkelheit oder den Fledermäusen, die gegebenenfalls dort lauern könnten?
Auf keinen Fall. Meine Frau ist riesengroßer Fledermaus-Fan, hat diverse Fledermaus Tattoos und immer wenn wir die Chance haben, müssen wir diesen Viechern einen Besuch abstatten. Zuletzt übrigens im recht hübsch gemachten Noctalis, was ich nur wärmsten empfehlen kann, in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Also bin ich da relativ abgehärtet, auch wenn ich diese Begeisterung nicht ganz teilen kann (lacht). Und zum Thema Dunkelheit: ich hoffe doch stark, dass er dort auch ein wenig Licht geben wird oder sollte ich mir eine Taschenlampe einpacken?

Sicher ist sicher. Ich glaube, ich pack mir auch noch eine ein (lacht). Dann finde ich im Falle von zu viel Nebel und zu wenig Licht immer noch raus. Mit TYSKE LUDDER geht es ja eher Oldschool zu. Aber eigentlich kam das ganze doch aus dem Wave-Bereich. Wie kam es zu dem musikalischen Umschwung?
Naja, unsere Wurzeln, also die Roots von Claus und mir liegen tatsächlich in der Gothic/Wave-Szene der frühen 80er. Damals haben wir primär so Zeugs wie RLYL, KUKL, Joy Division, Sisters, etc. gehört.
Wir haben damals auch eine entsprechende Band, welche sich natürlich „The Leaders of Men“ nennen musste und in der ich die Gitarre gespielt, aber auch schon den Drumcomputer und die Sampler programmiert habe. Tatsächlich haben wir damals sogar eine Maxi im Studio aufgenommen, die wir aber nie veröffentlicht haben. Vielleicht sollte ich das mal nachholen (grinst). Jedenfalls war es um uns geschehen, als dann aus Belgien dieses Dark-Electro-EBM Zeugs rüberschwappte. Und da wir ja schon erste Erfahrungen mit unserem KORG MS20 und unseren EMU und Ensoniq Samplern gesammelt hatten, war es uns eigentlich klar, dass wir das auch mal ausprobieren wollten. Dass das Ganze dann auch gleich in einer komplett anderen, neuen Band münden würde war uns damals natürlich noch nicht klar, aber war zwangsläufig und konsequent, da der Fokus ja nun nicht mehr auf Gitarre und Bass, sondern auf der Elektronik lag. Voilá, das war die Geburtsstunde von TYSKE LUDDER. Klassischen Oldschool, jedenfalls so wie er heut von vielen interpretiert wird, haben wir aber eigentlich eh nie gemacht. Ich würde das eher nach wie vor als „Dark-Electro“ bezeichnen.

Für alle, die es immer noch nicht mitbekommen haben, für die Electromusik ohnehin gleich klingt oder die gar nicht wussten, dass du in zwei Bands aktiv bist: Worin unterscheiden sich TYSKE und HARMJOY nun am Meisten?
Für mich sind die beiden Bands oder Projekte zwei komplett unterschiedliche Ausprägungen meines synthetischen Schaffens. Tyske Ludder war und ist immer mehr der Bauch, die Aggression. Da war früher viel Wut und Frustration über gewisse Zustände im Spiel. Das ganze sollte dann auch stark körperbetont verlaufen, ja manchmal auch reizen und überfordern. Das ist bei Harmjoy komplett anders; hier kommt es mir auf Melodien und Harmonien an und das ganze darf dann auch ruhig mal ins technoide oder trancige abdriften. Aber lass dich durch die teilweise „zuckersüßen“ Melodien nicht täuschen, auch die Harmjoy-Texte haben es in sich und erwischen dich kalt von hinten.
Ach so, und während TYSKE komplett in deutscher Sprache funktioniert, ist Harmjoy komplett im anglo-amerikanischen Sprachraum zuhause.

Wundervolle Erklärung. Welches Projekt macht mehr Spaß und wo liegt die Herausforderung in jedem der Projekte speziell für dich?
Das kann man eigentlich nicht so sagen. Die ersten Tracks für HARMJOY habe ich in einer Zeit geschrieben, wo ich nach den sehr schwierigen Arbeiten nach sieben TL -Alben echt keinen Bock mehr hatte. Ich brauchte mal eine Rosskur von dem, was ich 20 Jahre lang mit TYSKE gemacht habe. Wenn du mich damals gefragt hättest, dann wäre die Antwort klar gewesen. Inzwischen ist es aber wieder alles im Lot, wir haben uns personell verändert und unsere Arbeitsweise mit TYSKE der Herangehensweise am HARMJOY-Album angepasst. Ob das der alten Tante TL gut tut und was daraus entsteht, muss schließlich das Ergebnis beweisen. Was wir bisher zu Ende produziert haben klingt aber meiner Meinung nach großartig, auch wenn der geneigte Zuhörer hier und da überrascht sein wird. Und genau da liegt die Herausforderung bei TL: die Fans und Zuhörer immer wieder zu überraschen, sie zu fesseln.

Wie kam die letzte HARMJOY-Single denn an? Gab es gute oder schlechte Kritiken und liest du die überhaupt?
Klar lese ich die! Ich wäre ja vermessen, gerade bei einer Erstveröffentlichung nicht wissen zu wollen, wie diese da draußen ankommt. Tatsächlich hatten wir eigentlich nur gute und sehr gute Kritiken in den einschlägigen Fanzines und Websites, was uns natürlich freut. Inwieweit das aber auch für die Akzeptanz bei den Hörern spricht, sei mal da hingestellt, da brauch es sicherlich mehr, als eine wohlwollende Kritik im XY-Magazin. Den nächsten Schritt diesbezüglich gehen wir ja jetzt mit den Liveshows, da wird sich dann, denke ich, zeigen, wie das ganze tatsächlich „funktioniert“.

Nachdem ich auch schon TORUL mit der Frage gequält habe, sollst auch du sie bekommen. Gerade weil es dich betrifft: Warum spielen eigentlich so viele Electro-Musiker in verschiedenen Bands? Wir haben den Spruch „ 3 Musiker, 4 Bands – das geht nur im Electro“
Ich bin ja relativ neu in der Riege derer, die in mehr als nur einer Band aktiv sind. Aber da ist schon durchaus was dran. Ich denke, dass du ja durch die Wahl computergestütze Musik zu machen den entscheiden Vorteil hast, dass du die natürliche Barriere ein Instrument handwerklich erlernen zu müssen locker umgehen kannst. Du musst dich im Regelfall nicht mit einer kompletten Band auseinandersetzen. Das beschleunigt den gesamten Arbeitsprozess schon enorm. Und da liegt es vielleicht nah, seinen kreativen Output durchaus in verschieden Projekte zu „leiten“. Ich finde das auch irgendwie ehrlicher, als mit einer Band alle Spielarten der elektronischen Musik auszuprobieren.

Stimmt das eigentlich, dass man als Keyboarder in einer Electroband komplett unterfordert ist?
Ich bin ja eigentlich nicht Keyboarder im klassischen Sinne, „gelernt“ habe ich ja irgendwann mal Gitarre und bin dann eher zufällig durch die Programmierung von Drum-Maschinen und dem Wunsch nach einem breiteren, musikalischen Soundteppich an die Sampler gekommen. Ich denke so geht es vielen in der Szene, die wenigsten haben eine klassische Ausbildung am Klavier oder Keyboard durchlebt. Vieles läuft ja in der Entwicklungsphase von Songs auch über Arpeggiatoren oder einer „Step-by-Step“ Programmierung, welche du live auch nur unheimlich schwer synchron wiedergeben könntest. Ich spiele tatsächlich nur die Melodien und Flächen „klassisch“ ein, das sind dann auch genau die Teile der Musik, die du dann live reproduzierst. Ich denke ein voll ausgebildeter Pianist wäre da durchaus unterfordert, aber für mich ist das tatsächlich immer noch eine Herausforderung (lacht).

Was ist überhaupt noch live und was kommt – mal ganz ehrlich – alles vom Band?
Oh, da habe ich überhaupt keine Scheu: also, die gesamten Vocals sind natürlich erst mal live. Dann arbeiten wir ja bei TYSKE seit eineinhalb Jahren mit einem echten Drummer, dem Jay von TACTICAL SEKT, aber auch die E-Drums von Ralf, so er dann mal wieder Zeit findet uns live zu unterstützen, waren immer live. Der Basis-Sound der diversen Studio-Drums, Bässe, Flächen und Arpeggiatoren kommen dann entweder aus dem Sequenzer/Laptop oder vom Ipod. Das ist auch schon deswegen nötig, um Video und Musik synchron zu bekommen. Und dann spiele ich halt noch Getüdel und Flächen aus dem Sampler und angeschlossen VSTs live. Das Ganze werde ich aber in Zukunft wohl mit einem analogen Synthesizer ergänzen oder auch teilweise ersetzen. Bei Harmjoy wird das Setup da ziemlich ähnlich sein, wobei ich mir aber momentan überlege, einen zweiten Keyboarder live mit auf die Stage zu nehmen.

Wo wir jetzt die ganze Zeit von live spielen, Konzerten und so weiter reden: Hast du eigentlich einen Glücksbringer, den du mit auf Reisen oder auf die Bühne nimmst?
Du meinst so was wie eine Hasenpfote oder ein Plüschtier? Gott bewahre, nein. Vielleicht eine Vorliebe für bestimmte Rituale, aber die variieren auch leicht von Jahr zu Jahr. Für mein persönliches Seelenheil brauche ich eigentlich nur einen halbwegs gelungenen Soundcheck, auch wenn es nur ein 10-minütiger Linecheck war, und meine 2 Vodka-RedBull … das wären meine Rituale.

Dann lass uns in Halberstadt zusammen Vodka-RedBull trinken. Was ist das Peinlichste, was dir jemals auf der Bühne passiert ist?
Hmmm, eigentlich bin ich da ganz entspannt und tatsächlich ist mir da noch nichts wirklich Peinliches passiert, meine ich jedenfalls. Das einzige was mir mal passiert ist: ich musste mal nach einer etwas längeren Show dringendst zur Toilette. Ich also nicht dumm und die Zugabenpause dazu genutzt um von der Bühne kommend, Backstage das „stille“ Örtchen aufzusuchen. Nun hatte aber wohl die geschätzte Vorband noch nicht damit gerechnet, dass da schon jemand von der Bühne kommt. Aber der Sänger und die Keyboarderin haben sich auch nicht wirklich durch mich stören lassen … Und wenn ich heutzutage irgendwas über besagte Band lese, habe ich jetzt immer dieses Bild im Kopf.

Thema Backstage: Ich kenne unsagbar viele Leute, die diesen „Bereich“ echt als das Non-Plus-Ultra sehen und unbedingt mal in einen gucken würden. Wie sieht es dort so aus und stimmen die ganzen Gerüchte über wilde Backstageparties?
Alles erstunken und erlogen (lacht).

Was ist denn wirklich im Backstagebereich los? Entmystifizier das mal für uns!
„Als erstes ist da der Geruch von Alkohol, Nikotin und Schweiß, und ist da ganz viel Gier und dann sehe ich mich vor meinen Maschinen stehen.“

Electrobands wird ja immer vorgehalten, dass das „keine richtige Musik wäre“. Was ist denn jetzt „richtige Musik“ und wie geht „richtig Musik machen“?
Ich denke richtige Musik gibt es einfach nicht, genauso, wie es auch keine falsche Musik gibt. „There’s a crack in everything, that’s how the light gets in“

Ja, ich glaube, da hast du Recht. Was bedeutet es für dich Musik zu machen? Kannst du noch ohne?
Aber mal im Ernst, für mich bedeutet Musik machen persönliche Freiheit und Ausdruck. Ich kann mich bei wenigen Sachen, nehmen wir mal zwei, drei Dinge heraus, so fallen lassen, wie beim „mucken“. Das hat auch immer was meditatives, wenn auch nicht im YOGA-Sinne. Und ich habe schon oft Phasen gehabt, in denen ich monatelang kein Instrument angerührt habe, ja mir selbst geschworen habe dies nie wieder zu tun. Klappt aber nicht. Und wieder ein Jahr später bin ich wieder mitten in der Produktion eines neuen Albums, mit allen Höhen und Tiefen, die das eben mit sich bringt.

Würdest du aus einer finanziellen Notlage heraus auch einfach mal „kommerzielle“ und charttaugliche Radiomusik machen oder kannst du dir das gar nicht vorstellen?
Ich würde das auch so machen, ich kenne nur keine Leute, die das für mich vermarkten könnten oder würden. Ja warum denn auch nicht? Ich würde vielleicht nicht dran glauben, aber machen würde ich das auf jeden Fall. Aber tatsächlich brauche ich für unsere Musik immer relativ lange, so dass ich, wenn ich davon leben müsste, wahrscheinlich längst verhungert wäre. Da gäbe es dann andere Wege um einfacher Geld zu verdienen.

Die Electroszene ist ja nun nicht übermäßig groß und trotzdem werden neue Alben nicht nur als Download angeboten, sondern es gibt auch noch „richtige“ CDs. Welchen Preis findest du für eine CD angemessen?
Na, übermäßig groß vielleicht nicht, aber nach über zwanzig Jahren in ihr kenne ich noch lange nicht alle und jeden. Ich finde für eine einfache CD im Jewelcase mit einfachen Booklet darf heute eigentlich niemand mehr als 10€ verlangen. Aber das Problem: du hast es ja nicht immer selbst in der Hand. Da stecken ja meist noch zwei bis drei andere Institutionen hinter, bis die CD den Endverbraucher erreicht. Das führt dann natürlich zu der kuriosen Situation, dass dein Label vielleicht das Album noch für 9,99 € anbietet, das Teil aber bei Amazon oder Infrarot für 14,99 steht. Nun ist es aber oft so, dass gerade die Bestellsysteme kleinerer Label oder Direktvertriebe einfach die Pest sind. Und dann bezahlt der Hörer vielleicht lieber den höheren Preis und regt sich auf …

Und wo wir grad bei CDs sind: Was ist dir eigentlich lieber – Download oder was zum in der Hand halten?
Also mir persönlich ist da nach wie vor die CD lieber und die ist mir auch lieber als das olle Vinyl, welches ja gerade auch wieder aus den dunkelsten Ecken empor kriecht. Man, was war ich damals froh, als man seine Lieblingsalben auf CD bekam und so verstehe ich den Hype um das Stück Plastik eigentlich nicht. Klar ist die Haptik eines Vinyls viel interessanter, als die der CD und du kannst in ganz anderen Formaten arbeiten, aber nach 100 Mal spielen klingt sie halt scheiße, Punkt. Aber um zurück auf die Frage zu kommen: ich mag nach wie vor dieses „Erleben“ der CD. Du legst einen Datenträger ein, blätterst im Booklet und hörst die Musik. Ganz klar 1:0 für den physikalischen Release. Selbstverständlich finde ich aber solche Portale wie iTunes oder Amazon Mp3 auch in Ordnung. Es ist halt nicht das Gleiche.

Mal aus Künstlersicht: Warum sollte man Musik kaufen und nicht einfach so illegal runterladen?
Ganz klare Antwort: weil sonst diese wunderbaren physikalischen Releases von kleinen Labels vom Markt verschwinden werden. Noch dazu hast du im Independent-, Gothik-, Electro- und EBM-Bereich dann noch weniger Künstler, die davon Leben werden können. Aber das ist ja eigentlich auch heute schon so. Die, welche das können müssen sich um mehrere Bands oder Projekte gleichzeitig kümmern und haben vielleicht nebenbei noch ein Studio oder sind als Soundmann für andere Bands unterwegs. Das ist nun mal so, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Generell wird es aber immer Leute geben die Musik in diesem Segment machen werden, die Frage ist halt nur, ist es dann auch noch so gut von der „Erfindungshöhe“ und der Qualität, wenn sie sich um 1000 andere Dinge kümmern müssen um zu existieren?

Ich kaufe meine CD’s auch irgendwie am Liebsten, weil ich gerne „etwas in der Hand habe“. Nun sind ja Dinge wie Spotify auf dem Vormarsch. Wie stehst du denn zu Streamingdiensten?
Streamingdienste finde ich per se schon in Ordnung, tatsächlich nutze ich sie zusätzlich sogar selbst. Und wenn du dir heute junge Menschen unterhalb der 20 anschaust, dann ist das mit Abstand die absolute Lieblingsform in der Musik konsumiert wird. Das mag man vielleicht nicht mögen, hat aber den Charme, dass diesen Zeitgenossen illegale Downloads im Musikbereich total egal sind, ja sie sind überhaupt kein Thema. Von meinen 17 Jahre alten Sohn habe ich noch nicht gehört:“ Kannst du mir mal das Album XY besorgen.“ Der streamt das einfach und packt das bei Bedarf offline auf seinen Ipod. Der Pferdefuß bei der ganzen Nummer ist halt nur, die Tantiemen die Spotify, Simfy und Co. verteilen sind einfach lächerlich. Wir reden da von 1000stel Cent pro gestreamten Song für die kleineren Acts. Und tatsächlich sieht es so aus, als wenn das die Zukunft des Musikvertriebes sein wird. In den USA sind nach den physikalischen Verkaufszahlen von CDs zwischenzeitlich auch die Verkaufszahlen von iTunes und Co, komplett eingebrochen. Wir werden sehen wo uns das hinführt, sich dem Ganzen zu verschließen oder digitale Releases zeitversetzt anzubieten, so wie es nach wie vor einige kleinere Labels machen, ist aber auf jeden Fall keine Lösung. Vielleicht sollte man den Fans vermitteln, dass sie nun erst Recht in das Merch ihrer Lieblingskapellen investieren und deren Konzerte besuchen sollten. So würden die Einbrüche bei den Verkaufserlösen der Tonträger vielleicht erträglicher.

Keine schlechte Idee. Jetzt darfst du dir noch jemanden für ein neues Interview aussuchen! Schieß los!
Als nächsten Interviewpartner schlage ich den bereits oben erwähnten Krischan Wesenberg vom Roten Sand vor!

Mehr Informationen zu Harmjoy und Tyske Ludder findet ihr hier:
www.facebook.com/tyskeludderhttp://www.tyske-ludder.com
www.facebook.com/HarmJoy
www.harmjoy.com

Josie Leopold

Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrückter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews führe, Beiträge verfasse oder versuche Wordpress davon zu überzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.

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